Skip to main content

Bulgarien: Besuch von Metropolit Ilarion erzeugt Spannungen im Hl. Synod der BOK

24. Oktober 2019

Die Bulgarische Orthodoxe Kirche (BOK) ist weiterhin uneinig, wie sie sich in der Ukraine-Frage positionieren soll. Die innerkirchlichen Spannungen traten anlässlich eines Besuchs von Metropolit Ilarion (Alfejev), dem Leiter des Außenamts des Moskauer Patriarchats, zutage. Während Metropolit Nikolaj (Sevastianov) von Plovdiv für eine abwartende Haltung der BOK plädiert, drängen andere Bischöfe auf eine deutlichere Unterstützung Moskaus.

Offizieller Anlass von Ilarions Reise nach Bulgarien am 9. Oktober war seine Teilnahme an einer wissenschaftlichen Konferenz in Veliko Tarnovo. Doch davon wie von seinem Treffen mit dem bulgarischen Patriarchen Neofit (Dimitrov) erfuhr eine breitere Öffentlichkeit erst durch eine Erklärung von Metropolit Nikolaj von Plovdiv am 10. Oktober auf der offiziellen Website der BOK.
Metropolit Nikolaj, der als einer der einflussreichsten Metropoliten Bulgariens gilt, wollte mit seiner Erklärung sein Fernbleiben einer Begegnung mit Metropolit Ilarion begründen. Er wies darauf hin, dass es nicht üblich sei, dass der ganze Hl. Synod einen Metropoliten einer anderen Kirche empfängt, insbesondere wenn dieser nur eine bestimmte Eparchie besuche. Das Format eines solchen Treffens würde vor dem Hintergrund der ukrainischen Frage den Eindruck erwecken, dass der Hl. Synod der BOK sich dem Druck aus dem Ausland beuge. Somit gestand Nikolaj zum ersten Mal öffentlich ein, dass die BOK unter massivem Druck von verschiedenen äußeren Faktoren steht. Als schlimmste Folge bezeichnete er die Spannungen innerhalb der einzelnen Kirchen. Er empfahl seiner Kirche, ihre Position erst nach den anderen orthodoxen Kirchen bekanntzumachen, die in den Diptychen vor ihr stehen. Mit Ironie bemerkte Nikolaj, dass sowohl Konstantinopel als auch Moskau die BOK nicht zu einer Entscheidung drängen sollten, denn sie hätten die BOK in ihren Diptychen unter die letzten Plätze eingeordnet, obwohl sie schon im 10. Jh. autokephal gewesen sei. Ferner wies er darauf hin, dass die ukrainische Causa letztendlich die Frage aufwerfe, ob die anderen orthodoxen Christen ihre ukrainischen Brüder lieben, oder ob sie sich eher von politischen Motiven leiten lassen und bereit sind, aus einer administrativen Sache ein dogmatisches Problem zu machen.
Wie zu erwarten war, blieb eine Antwort der Metropoliten, die in dieser Frage Moskau unterstützen, nicht aus. Am 12. Oktober veröffentlichten Gavriil (Dinev) von Loveč, Joan (Ivanov) von Varna, Daniil (Nikolov) von Vidin und Serafim (Dinkov) von Nevrokop eine Deklaration, in der sie anmerkten, dass die Mitglieder des Hl. Synods direkt untereinander und nicht vor der Öffentlichkeit kommunizieren sollten. Das Treffen mit Ilarion habe keinen verpflichtenden Charakter gehabt. Die Rangordnung der Diptychen habe lediglich in der Liturgie Relevanz, ansonsten könne die BOK jederzeit ihre Meinung kundtun, da sie eine autokephale Kirche sei.
In einem Interview mit einer der meist gelesenen Zeitungen Bulgariens (24 časa) legte Metropolit Nikolaj nach. Er kritisierte, dass die Russische Orthodoxe Kirche (ROK) einige der bulgarischen Metropoliten, die Moskau unterstützen, demonstrativ hofiere. Diese Praxis bezeichnete er als imperiale Politik, die dem Prinzip „divide et impera“ folge. Die jetzige schwierige Lage sei ein Ergebnis der uneinsichtigen Politik der ROK, die der orthodoxen Kirche in der Ukraine schon längst ihre Selbständigkeit hätte geben sollen. Statt der Sorge um das Seelenheil hätten in der ukrainischen Frage politische und geostrategische Erwägungen eine zentrale Rolle eingenommen. Zudem vertrat Nikolaj die Ansicht, dass diese wichtige Angelegenheit nicht nur unter den Mitgliedern des Hl. Synods debattiert werden sollte, denn schon längst sei eine breite Debatte in der gesamten BOK im Gang. Es sei wichtig, dass Kirchenvolk und Metropoliten jeweils ihre eigene Meinung äußern können. Er stellte klar, dass er mit seiner Erklärung keine Partei einnehme. Sein Anliegen sei, abzuwarten, die Würde der BOK zu verteidigen und auf keinen Fall den Vorwürfen Nahrung zu geben, die BOK sei eine Filiale anderer orthodoxer Kirchen. In dieser Hinsicht machte er eine interessante Bemerkung: „Vergessen Sie nicht: hinter der Frage der Autokephalie der Kirche in der Ukraine steht die Frage des Status quo der Kirche in Nordmakedonien. In der Art, wie die erste Frage gelöst wird, wird auch die zweite ihre Antwort finden.“ Diese Worte könnten erklären, warum Nikolaj, den viele als Anwärter auf den Patriarchenthron betrachten, die Taktik des Hinauszögerns vorzieht: womöglich will er dadurch eine bessere Verhandlungsposition für die BOK in der Frage der Makedonischen Orthodoxen Kirche erreichen.
Vladislav Atanassov

Ukrainian Autocephaly and Responsibility toward the Faithful
Blog gutachten gok kommission ukraineDas Komitee für inter-orthodoxe und inter-christliche Beziehungen der Hl. Synode der Griechischen Orthodoxen Kirche hat sich in den letzten Monaten mit der Ukraine-Frage beschäftigt und an der Bischofsversammlung vom 12. Oktober seine Ergebnisse präsentiert; hier ein Auszug.

Proposal for dealing with the Ukrainian issue
Hintergrund hierotheos von nafpaktos proposal on ukraineMetropolit Hierotheos (Vlachos) von Navpaktos schlägt ein mögliches Vorgehen in der Ukraine-Frage vor, nachdem er sich bereits 2008 und 2014 und in den letzten beiden Jahren mehrfach zum Thema geäußert hat.

Filaret’s Final Act and the Future of the Orthodox Church of Ukraine
Blog denysenko ukraine filaretDer ehemalige Kiewer Patriarch und Ehrenpatriarch der OKU, Filaret (Denisenko), versucht seine Position in der OKU auszubauen. Nicholas Denysenko erläutert die aktuelle Lage und schildert mögliche Entwicklungen.

Tornike Metreveli zu Wahlen und Religion in der Ukraine
Interview metreveli ukraine wahlen religion

Tornike Metreveli spricht über die Rolle der Religion im ukrainischen Präsidentschaftswahlkampf und darüber, was sich mit der Gründung der Orthodoxen Kirche der Ukraine für die Gläubigen und Priester an der Basis verändert hat.


Kirche in Kiew: Lokales Handeln und globaler Glauben
Kommentar sigov vereinigungskonzilÜber die Autokephalie der Orthodoxen Kirche der Ukraine werden hitzige Debatten geführt. Konstantin Sigov ruft in Erinnerung, dass aus theologischer Sicht alle orthodoxen Kirchen den einen Leib Christi bilden. Diese Einheit ist tiefer als alle ethnischen, politischen oder linguistischen Unterschiede.

Orthodoxie in der Ukraine: Panorama und Entwicklungstendenzen
Kommentar bohdan ohulchanskyi orthodoxie ukraineAnlässlich des Vereinigungskonzils vom 15. Dezember, an dem das Oberhaupt der neuen autokephalen Orthodoxen Kirche der Ukraine gewählt wurde, blickt Bohdan Ohultschanskyj auf die Spaltungen und Bemühungen um Autokephalie in der Ukraine seit den 1990er Jahren zurück.

After the Council: Challenges Facing the Orthodox Church of Ukraine
Sophienkathedrale ukraine kiewAm 15. Dezember hat ein Vereinigungskonzil in der Ukraine das Oberhaupt der neuen autokephalen Orthodoxen Kirche der Ukraine gewählt. Nicholas Denysenko identifiziert drei zentrale Herausforderungen, vor denen die neue Kirche nun steht.


Die Autokephaliefrage der Ukrainischen Orthodoxen Kirche: Plädoyer für einen sozialethischen Ansatz
Kommentar sozialethik in ukraine frageIn der Debatte um die Autokephalie für die Ukrainische Orthodoxe Kirche wird oft kanonisch oder historisch argumentiert, dabei bleibe die konkrete Situation der Betroffenen auf der Strecke, erklärt Cezar Marksteiner-Ungureanu; deshalb plädiert er für einen sozialethischen Ansatz.

Assaad Elias Kattan über die Folgen des Bruchs zwischen Moskau und Konstantinopel
Interview kattanDer Bruch zwischen Moskau und Konstantinopel wird zahlreiche Auswirkungen haben, beispielsweise auf die Zusammenarbeit in orthodoxen Institutionen in der Diaspora, erklärt Assaad Elias Kattan. Zugleich bezweifelt er, dass andere orthodoxe Kirchen Moskau folgen werden.

The Case for Constantinople
Essay chryssavgis ukraine frage orthodoxy in dialogueJohn Chryssavgis, griechisch-orthodoxer Priester in Amerika und theologischer Berater des Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios in Umweltfragen, nimmt zu den Spannungen zwischen den Patriarchaten von Moskau und Konstantinopel in der Ukraine-Frage Stellung.

Kann die Geschichte den Konflikt um die ukrainische Autokephalie lösen?
Artikel bremer  senyk ukraineIn den Debatten um eine mögliche Autokephalie für die Ukrainische Orthodoxe Kirche wird immer wieder historisch argumentiert. Thomas Bremer und Sophia Senyk untersuchen diese Argumentation und ihr Potential, zur Konfliktlösung beizutragen.

Sergii Bortnyk zur Situation der ukrainischen Orthodoxie
Interview sergij bortnykDie Entsendung zweier Exarchen in die Ukraine durch das Ökumenische Patriarchat hat die Spannungen um eine mögliche Autokephalie für die Ukrainische Orthodoxe Kirche zusätzlich befeuert. Zu den aktuellen Entwicklungen in der Ukraine nimmt Sergii Bortnyk Stellung.

Unabhängige Kirche in der Ukraine: Friendensgarant oder Kriegstreiber?
Sophienkathedrale 200Der Streit um eine autokephale Kirche in der Ukraine eskaliert zusehends. Regina Elsner analysiert im ZOiS Spotlight anhand der vier friedensethischen Leitkategorien – Recht, Gerechtigkeit, Gewalt und Herrschaft – Risiken und Chancen der Entwicklung.

Die russische Kirche verliert die Ukraine
Kommentar sergej chapnin kirill und bartholomaiosSergej Chapnin interpretiert das Treffen der Patriarchen von Moskau und Konstantinopel vom 31. August 2018, bei dem es um die Frage der Autokephalie für die Ukrainische Orthodoxe Kirche ging, und vermutetet einen unerfreulichen Ausgang für die Russische Orthodoxe Kirche.

Liliya Berezhnaya zur Frage der Autokephalie in der Ukraine
Interview liliya berezhnayaDie jüngsten Bemühungen um die Autokephalie für die Ukrainische Orthodoxe Kirche haben zahlreiche Reaktionen ausgelöst. Liliya Berezhnaya erläutert die Rollen und Absichten der Beteiligten und setzt die Autonomiebestrebungen in einen historischen Kontext.

The Promise of Autocephaly in Ukraine: What’s at Stake?
Blog denysenko ukrainische autokephalieIm April 2018 hat Präsident Petro Poroschenko, unterstützt vom Parlament, den Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios offiziell um die Autokephalie für die Ukrainische Orthodoxe Kirche gebeten. Nicholas Denysenko analysiert, was für die verschiedenen Akteure auf dem Spiel steht.