Skip to main content

Ukraine: Ökumenischer Patriarch verleiht der ukrainischen Kirche die Autokephalie

10. Januar 2019

Im Beisein des ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko hat der Ökumenische Patriarch Bartholomaios am 5. Januar in der Georgskathedrale in Istanbul den Erlass („Tomos“) über die Autokephalie der Orthodoxen Kirche der Ukraine (OKU) unterzeichnet. In der Göttlichen Liturgie am folgenden Tag übergab Patriarch Bartholomaios den Tomos dem im Dezember gewählten Oberhaupt der OKU, Metropolit Epifanij (Dumenko). Mit der Verleihung der kirchlichen Eigenständigkeit diene das Patriarchat von Konstantinopel den „Wünschen und Interessen“ von Millionen Gläubigen in der Ukraine. Präsident Poroschenko betonte, dass der Tomos ein weiterer Akt zur Erklärung der Unabhängigkeit der Ukraine sei.

Mit der Verleihung der Autokephalie an die OKU existieren aus Sicht des Ökumenischen Patriarchats nun 15 orthodoxe Lokalkirchen. Patriarch Bartholomaios begründete bei der Unterzeichnung des Tomos noch einmal das Vorgehen Konstantinopels: „Eure Seligkeit [Metropolit Epifanij], es war das Recht und das Privileg der Mutterkirche von Konstantinopel, Ihnen den Status der Autokephalie zu verleihen.“ Durch die Gnade Gottes sei die Gemeinschaft mit Millionen orthodoxer Ukrainer wiederhergestellt, die sich „ohne eigene Schuld“ plötzlich außerhalb der Kanonizität und der Communio befunden hätten. Die Kirche von Konstantinopel habe diese Gläubigen als deren wahre Mutter gesammelt und umarmt, „nicht als Stiefmutter“.

Metropolit Epifanij dankte dem Ökumenischen Patriarchen und insbesondere dem ukrainischen Präsidenten für die Verwirklichung der Autokephalie. Wörtlich sagte er: „Ihr Name, Herr Präsident, wird auf immer in der Geschichte des ukrainischen Volkes und der Kirche neben dem Namen von Großfürst Volodymyr dem Großen, Jaroslav dem Weisen, Konstjantyn Ostroskyj und Hetman Ivan Mazepa stehen.“ Neben Metropolit Epifanij waren die beiden Metropoliten Oleksandr (Dabrynko) und Simeon (Schostazkij), die früher der Ukrainischen Orthodoxen Kirche gehört hatten, Mitglieder der kirchlichen Delegation sowie zwei Bischöfe des „Kiewer Patriachats“ und ein Hierarch der Ukrainischen Autokephalen Orthodoxen Kirche. Deren vormalige Oberhäupter waren allerdings nicht in Istanbul zugegen.

An der Spitze der staatlichen Delegation stand Präsident Poroschenko, begleitet wurde er vom Vorsitzenden der Werchowna Rada, Andriy Paruby, Außenminister Pawlo Klimkin, Verteidigungsminister Stepan Poltorak und dem vormaligen ukrainischen Präsidenten Viktor Juschtschenko, der sich während seiner Amtszeit ebenfalls für die Zuerkennung der Autokephalie für die ukrainischen Kirche eigesetzt hatte. Nach der Unterzeichnung des Tomos bedankte sich Poroschenko bei Patriarch Bartholomaios für dessen Glauben und Liebe zur Ukraine. Generationen von Ukrainern hätten jahrhundertelang von diesem Ereignis geträumt und nur dank deren Gebeten sei die Autokephalie möglich geworden. Zudem lud er Patriarch Bartholomaios in die Ukraine ein.

Der Text des Tomos ist auf Griechisch. Er wurde von dem Mönch und berühmten Kalligraphen Lukas aus dem Athoskloster Xenophontos auf Pergament geschrieben. Der ukrainische Botschafter in Ankara, Andryj Sibiga publizierte auf Twitter eine provisorische Übersetzung des Tomos. Daraus geht u. a. hervor, dass sich die Jurisdiktion der neuen Kirche auf das Territorium der Ukraine beschränkt. Die OKU kann keine Bischöfe für die ukrainische Emigration bestimmen oder Gemeinden in der Diaspora gründen. Dafür sei ausschließlich das Ökumenische Patriarchat zuständig.

In der Weihnachtsliturgie in der Sophienkathedrale am 7. Januar präsentierte Metropolit Epifanij den Gläubigen den Tomos und betonte, dass die Tore der OKU für alle Orthodoxen im Land offen seien. Während der Liturgie kommemorierte er die Namen aller Vorsteher der orthodoxen Lokalkirchen, einschließlich desjenigen von Patriarch Kirill. Zuvor hatte es Metropolit Epifanij vermieden, das Oberhaupt der Russischen Orthodoxen Kirche in der Liturgie zu erwähnen. (NÖK)

Orthodoxie in der Ukraine: Panorama und Entwicklungstendenzen
Anlässlich des Vereinigungskonzils vom 15. Dezember, an dem das Oberhaupt der neuen autokephalen Orthodoxen Kirche der Ukraine gewählt wurde, blickt Bohdan Ohultschanskyj auf die Spaltungen und Bemühungen um Autokephalie in der Ukraine seit den 1990er Jahren zurück.

After the Council: Challenges Facing the Orthodox Church of Ukraine
Am 15. Dezember hat ein Vereinigungskonzil in der Ukraine das Oberhaupt der neuen autokephalen Orthodoxen Kirche der Ukraine gewählt. Nicholas Denysenko identifiziert drei zentrale Herausforderungen, vor denen die neue Kirche nun steht.


Die Autokephaliefrage der Ukrainischen Orthodoxen Kirche: Plädoyer für einen sozialethischen Ansatz
In der Debatte um die Autokephalie für die Ukrainische Orthodoxe Kirche wird oft kanonisch oder historisch argumentiert, dabei bleibe die konkrete Situation der Betroffenen auf der Strecke, erklärt Cezar Marksteiner-Ungureanu; deshalb plädiert er für einen sozialethischen Ansatz.

Assaad Elias Kattan über die Folgen des Bruchs zwischen Moskau und Konstantinopel
Der Bruch zwischen Moskau und Konstantinopel wird zahlreiche Auswirkungen haben, beispielsweise auf die Zusammenarbeit in orthodoxen Institutionen in der Diaspora, erklärt Assaad Elias Kattan. Zugleich bezweifelt er, dass andere orthodoxe Kirchen Moskau folgen werden.

The Case for Constantinople
John Chryssavgis, griechisch-orthodoxer Priester in Amerika und theologischer Berater des Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios in Umweltfragen, nimmt zu den Spannungen zwischen den Patriarchaten von Moskau und Konstantinopel in der Ukraine-Frage Stellung.

Kann die Geschichte den Konflikt um die ukrainische Autokephalie lösen?
In den Debatten um eine mögliche Autokephalie für die Ukrainische Orthodoxe Kirche wird immer wieder historisch argumentiert. Thomas Bremer und Sophia Senyk untersuchen diese Argumentation und ihr Potential, zur Konfliktlösung beizutragen.

Sergii Bortnyk zur Situation der ukrainischen Orthodoxie
Die Entsendung zweier Exarchen in die Ukraine durch das Ökumenische Patriarchat hat die Spannungen um eine mögliche Autokephalie für die Ukrainische Orthodoxe Kirche zusätzlich befeuert. Zu den aktuellen Entwicklungen in der Ukraine nimmt Sergii Bortnyk Stellung.

Unabhängige Kirche in der Ukraine: Friendensgarant oder Kriegstreiber?
Der Streit um eine autokephale Kirche in der Ukraine eskaliert zusehends. Regina Elsner analysiert im ZOiS Spotlight anhand der vier friedensethischen Leitkategorien – Recht, Gerechtigkeit, Gewalt und Herrschaft – Risiken und Chancen der Entwicklung.

Die russische Kirche verliert die Ukraine
Sergej Chapnin interpretiert das Treffen der Patriarchen von Moskau und Konstantinopel vom 31. August 2018, bei dem es um die Frage der Autokephalie für die Ukrainische Orthodoxe Kirche ging, und vermutetet einen unerfreulichen Ausgang für die Russische Orthodoxe Kirche.

Liliya Berezhnaya zur Frage der Autokephalie in der Ukraine
Die jüngsten Bemühungen um die Autokephalie für die Ukrainische Orthodoxe Kirche haben zahlreiche Reaktionen ausgelöst. Liliya Berezhnaya erläutert die Rollen und Absichten der Beteiligten und setzt die Autonomiebestrebungen in einen historischen Kontext.

The Promise of Autocephaly in Ukraine: What’s at Stake?
Im April 2018 hat Präsident Petro Poroschenko, unterstützt vom Parlament, den Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios offiziell um die Autokephalie für die Ukrainische Orthodoxe Kirche gebeten. Nicholas Denysenko analysiert, was für die verschiedenen Akteure auf dem Spiel steht.