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Russland: Priester wegen Antikriegspredigt angezeigt

10. März 2022

Der Vorsteher der Auferstehungskirche im Dorf Karabanovo in der Oblast Kostroma, Ioann Burdin, ist von der Polizei wegen seiner Äußerungen gegen den Krieg in der Ukraine verhört worden. Die Sicherheitskräfte haben auf Grundlage des neu eingeführten Gesetzes, das die Verbreitung von „Falschinformationen“ über die russische Armee verbietet, eine Anzeige gegen den Priester verfasst. So werden Burdin im Polizeiprotokoll „öffentliche Handlungen, gerichtet auf die Diskreditierung der Streitkräfte Russlands“, vorgeworfen.

Der Geistliche ist einer der ersten, auf den das neue Zensurgesetz angewendet wird, das die Duma am 4. März verabschiedet hatte. Gegenüber mediazona erklärte er, in seiner Predigt am 6. März habe es keinerlei politische Aufrufe gegeben, sondern „ausschließlich evangelische Worte“. Diese seien 2000 Jahre alt, einige noch älter, beispielsweise das alttestamentarische Gebot „Du sollst nicht töten“. Er habe die Gläubigen aufgerufen, den Hass nicht in ihre Herzen zu lassen, denn das führe zu einem Teufelskreis. Seine Ablehnung des Tötens betreffe beide Seiten, für die Kirche sei egal, weswegen getötet werde. Die Sünde bleibe in jedem Fall eine Sünde. Er gab zu erkennen, er sei sich des Risikos seiner Aussagen bewusst gewesen. Seiner Meinung nach, sei „die Situation, in der wir jetzt leben, eine Prüfung“. Er könnte erraten, wer von den rund zehn am Gottesdienst Anwesenden ihn der Polizei gemeldet habe, aber das wolle er gar nicht wissen.

Bereits zu Beginn des Kriegs in der Ukraine hatte Burdin diesen gemeinsam mit dem prominenten Priester Georgij Edelschtejn klar verurteilt. Auf der Website seiner Gemeinde publizierte er zudem kritische Stimmen zum Krieg. Inzwischen musste er einen dieser Einträge „über die Unzulässigkeit des Blutvergießens“ auf Anordnung des Metropoliten von Kostroma und entsprechend den Vorgaben des neuen Gesetzes entfernen, wie er auf der Website mitteilt. In einem anderen Eintrag bedankt er sich für die Unterstützung von Dutzenden Menschen aus Russland und dem Ausland, die sich nach dem Vorfall an ihn persönlich gewandt hätten. Viele „haben begonnen, Geld für die Bezahlung einer möglichen Buße zu überweisen“, obwohl es diesbezüglich noch kein Urteil gebe. Zudem hätten Tausende die Website seiner Dorfgemeinde besucht.

In einer längeren Erklärung auf mediazona betonte Burdin in Bezug auf die Predigt des russischen Patriarchen Kirill am 6. März, jeder Mensch „trifft jetzt seine Wahl und zeigt Gott, wie er ist“. Auch der Patriarch habe seine Wahl getroffen und er habe wie jeder andere Mensch das Recht, seine Position auszudrücken. Vor Gott werde sich letztlich jeder selbst für sich verantworten müssen. Deshalb hofft Burdin, dass das, was Kirill „sagt und tut, seine ehrlichen Überzeugungen ausdrückt“ und darin keine Arglist steckt. In der Stellungnahme erklärte Burdin auch noch einmal ausführlich, der Kern seiner Predigt sei die Unzulässigkeit des Blutvergießens gewesen, nicht Politik. Die Predigt am 6. März sei seine erste seit der russischen Invasion in der Ukraine am 24. Februar gewesen, davor sei er krank gewesen. Für ihn sei klar gewesen, dass er im Gottesdienst nicht so tun könne, als sei nichts passiert, das wäre eine Lüge vor Gott. Er findet, es „war formal kein Aufruf gegen den Krieg“, etwa zu einer Demonstration, sondern ein „tieferer Aufruf an die Menschen“. Diese sollten auf jeden Fall ihre Menschlichkeit bewahren und niemanden hassen, weder Ukrainer noch Russen noch Amerikaner. Denn „das ist schon in unseren Kirchen, dieser Bürgerkrieg läuft schon“, so Burdin. Sogar innerhalb einer Kirche seien die Menschen schon gespalten. Deshalb habe er ihnen gesagt, er werde für das Ende des Kriegs in der Ukraine und den Schutz der Einwohner der Ukraine beten. Letztlich habe die Polizei eine große Sache daraus gemacht. Statt dass zehn Personen die Predigt gehört und 20 darüber auf der Website gelesen hätten, hätten nun Zehntausende seine Worte erfahren. (NÖK)

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