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Russland: Baptisten, Pfingstler und Altgläubige zum Krieg in der Ukraine

10. März 2022

Neben der dominierenden Russischen Orthodoxen Kirche haben sich auch einige kleinere russische Kirchen zum Krieg in der Ukraine geäußert. Mehrheitlich rufen sie zu Friedensbemühungen und Friedensgebeten für die Ukraine auf, klare Verurteilungen des russischen Angriffs auf die Ukraine finden sich jedoch nicht, teilweise stellen sich ihre Vertreter auch auf die Seite der russischen Regierung.

Der russische Bund der Evangeliumschristen-Baptisten nahm bereits bei Kriegsausbruch am 24. Februar Stellung zur Ukraine. Er rief alle zum Bund gehörenden Gemeinden zum „verstärkten Gebet für die schnellstmögliche Wiederherstellung des friedlichen Lebens“ auf. Sie sollten für „Frieden auf der Erde und in den Herzen“, „Gottes Willen in wichtigen Entscheidungen“ und die „friedliche Lösung des Konflikts und das sofortige Ende der kriegerischen Handlungen“ in der Ukraine sowie den Schutz der Betroffenen beten. Am gleichen Tag wandte sich die Euro-Asiatische Föderation der Bünde der Evangeliumschristen-Baptisten, in der die Baptisten der ehemaligen Sowjetunion zusammengeschlossen sind, an den russischen Präsidenten Vladimir Putin. In ihrem Schreiben legten die Vorsitzenden der einzelnen Bünde Putin nahe, „anzuhalten und sich an den Verhandlungstisch zu setzen“, um eine friedliche Lösung für die schon global gewordene Auseinandersetzung zu finden. Sie wünschten, dass Gott ihm Weisheit schenke, um eine friedliche Lösung zu finden.

Am 28. Februar traf sich der Rat der Euro-Asiatischen Föderation der Bünde der Evangeliumschristen-Baptisten, um Situation in der Ukraine zu besprechen. Dabei betonten sie, wie wichtig die Einheit und die Unterstützung dieser Einheit der Gläubigen aus verschiedenen Ländern sei. Die nationale Zugehörigkeit dürfe die Liebe zueinander nicht behindern, es dürfe keine erniedrigende Polemik in den sozialen Netzwerken geführt werden.

Der leitende Bischof des russländischen vereinigten Bundes der Christen evangelischen Glaubens (Pfingstgemeinden), Sergej Rjachovskij, bezeichnete den Krieg in der Ukraine als „brudermörderischen Konflikt“. In einer Stellungnahme im Namen des Geistlichen Rats der Pfingstgemeinden verurteilte er Krieg ungeachtet seiner Ursachen als „schreckliches Übel“. Als Gläubige seien sie zur Liebe aufgerufen und würden in erster Linie für die Menschen und ihren Schutz beten. Er zeigte sich überzeugt, dass die evangelischen Kirchen zu Zentren der Unterstützung und Hilfe für die Bedürftigen werden. Das „russische und ukrainische Volk vereint eine jahrhundertelange Geschichte, die evangelischen Kirchen unserer Länderwaren lange Zeit vereint“, erklärte Rjachovskij. Das werde der schnellstmöglichen Versöhnung ebenfalls dienen. Er bat zudem die Gläubigen, in den sozialen Netzwerken keine unüberprüften und provozierenden Informationen zu veröffentlichen.

Der Vertreter des leitenden Bischofs für den zentralen Föderationskreis, Bischof Andrej Dirienko, erklärte in einer Videobotschaft, dass „wir heute für den Präsidenten und die Machthaber beten müssen“, damit sie Weisheit erhalten. Denn weise Entscheidungen von diesen Menschen seien wichtig, wobei sie manchmal zwischen mehreren Übeln das geringste aussuchen müssten. Er betonte als Bürger Russlands seine Liebe zum Land und Volk und verurteilte es, wenn Russland als „Imperium des Bösen“ bezeichnet werde, das sei nicht wahr. Er glaube an die „große Zukunft“ seines Volks und sei überzeugt, dass mit Gebeten Gott „die größten Schwierigkeiten in Wohl verwandeln kann“. Die Gläubigen rief er dazu auf, nicht „Feinde unter den Menschen zu suchen“.

Bischof Dmitrij Schatrov, der Vertreter des leitenden Bischofs für den nordwestlichen Föderationskreis der Pfingstgemeinden, erklärte gegenüber der Nachrichtenagentur Interfax, als Bürger Russlands werde er für den russischen Präsidenten beten. Er könne nur teilweise begreifen, unter was für schwierigen Bedingungen dieser so schwerwiegende Entscheidungen treffen müsse. Er zweifle nicht daran, dass Putin keine „kriegerischen Handlungen“ führen wolle, „sie aber rechtfertigt, um ein größeres Übel zu vermeiden“. Während dies die Verantwortung der Politiker sei, sei die Verantwortung der Kirche, die Gebete für die Betroffenen zu verstärken.

Am 6. März äußerte sich auch das Oberhaupt der russischen Altgläubigen, Metropolit Kornilij (Titov), und rief zur Einkehr auf. Seine Worte „richten sich vor allem an diejenigen, die das einfache Volk in den Städten der Ukraine als lebendigen Schild benutzen“. Sie sollten auch aufhören, „völlig unschuldige Menschen dafür umzubringen, dass sie ihre Muttersprache und Kultur bewahren“. Für die Völker Russlands und der Ukraine sei es heute „mehr denn je nötig, sich an ihre Einheit zu erinnern“, einander alles zu verzeihen und „mit gemeinsamen Kräften den Nazismus zu stoppen“. In Bezug auf den Krieg in der Ukraine sagte Kornilij, es gebe zwar keine Macht, die nicht von Gott sei. Wenn aber die Macht „gottwidrig handelt wie in der Ukraine“, dann könne man als Gläubiger natürlich nicht unbeteiligt zusehen.

In den letzten Jahren habe sich Nazigedankengut in der Ukraine und einigen europäischen Ländern bis auf die Regierungsebene verbreitet, bedauerte der Metropolit. Diese Weltanschauung habe „zum Genozid, der physischen Auslöschung der Russen im Donbass, in Luhansk, in der Ukraine geführt“. Die ukrainische Regierung habe diesen Wahnsinn während acht Jahren nicht aufgehalten, der „vom ‚toleranten‘ Westen organisiert wurde, der die Normen der christlichen Moral verletzt“. Abschließend bekräftigte Metropolit Kornilij die Position, dass die vom Kreml so bezeichnete „Spezialoperation“ in der Ukraine erzwungen sei, und Russland nichts anderes übriggeblieben sei, um seine Interessen und die Rechte der russischsprachigen Bewohner der Ukraine und der „Republik Donbass“ zu schützen. (NÖK)

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