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Griechenland: Andauernde Diskussionen um die ukrainische Autokephalie

24. Oktober 2019

An ihrer der Ukraine-Frage gewidmeten außerordentlichen Vollversammlung am 12. Oktober haben die griechischen Bischöfe den Entscheid der Ständigen Hl. Synode vom August bestätigt. Damit anerkennen sie das Recht des Ökumenischen Patriarchats zur Verleihung der Autokephalie sowie das Privileg des Vorstehers der Kirche von Griechenland, die Anerkennungsfrage in Bezug auf die Ukraine weiter zu behandeln. Erzbischof Hieronymos (Liapis) von Athen erinnerte in seinem Bericht an das Gutachten von zwei Kommissionen – für dogmatische und kirchenrechtliche Fragen sowie für interorthodoxe und zwischenchristliche Fragen – zum Thema, das im August eingereicht worden war. Darin kamen die Kommissionen zum Schluss, dass es aus kirchenrechtlicher Sicht „keine Hindernisse“ für die „Anerkennung der Autokephalie der Orthodoxen Kirche der Ukraine und die völlige Harmonisierung und Koordination zwischen der Kirche von Griechenland und dem Ökumenischen Patriarchat“ gebe.

In seinem Bericht unterstützte das Oberhaupt der Griechischen Orthodoxen Kirche (GOK) die Sicht, dass die Ukraine immer zum „kanonischen Territorium“ des Ökumenischen Patriarchats gehört habe. Die Autokephalie der im Dezember 2018 gegründeten Orthodoxen Kirche der Ukraine (OKU) betrachtet Hieronymos zudem als „überaus nützlich“ für die Orthodoxie. Diese werde auch „wertvoll“ für die „Stärkung der Beziehungen zwischen den beiden autokephalen Schwesterkirchen von Großrussland und der Ukraine“ sein. Zum Schluss schlug er laut Kommuniqué der Bischofsversammlung vor, die Autokephalie der OKU anzuerkennen. Sieben griechische Metropoliten sprachen sich jedoch für eine Vertagung der Entscheidung aus. In der GOK gibt es zahlreiche Gegner der Autokephalie für die OKU, die in letzter Zeit ausdrücklich vor deren Anerkennung gewarnt haben.
Das Kommuniqué wurde zunächst als Anerkennung der Autokephalie durch die GOK interpretiert, bald kamen jedoch Zweifel auf. So widersprachen zwei Metropoliten dieser Auffassung und erklärten, über den Vorschlag von Erzbischof Hieronymos sei gar nicht abgestimmt worden, es sei lediglich die Entscheidung der Hl. Synode bestätigt worden. Zudem lehnten wesentlich mehr als die erwähnten sieben Metropoliten die Autokephalie der OKU ab, in der Diskussion hätten sie lediglich nicht die Aussagen anderer Hierarchen wiederholen wollen. Auch ein weiteres Statement der GOK brachte keine Klarheit.
Am 19. Oktober, eine Woche nach der Bischofsversammlung, konzelebrierten Erzbischof Hieronymos und der Ökumenische Patriarch Bartholomaios in Thessaloniki. Dabei wurde bei den Fürbitten das Oberhaupt der OKU, Metropolit Epifanij (Dumenko), genannt, was als Anerkennung der OKU seitens der GOK gewertet wurde. Die Russische Orthodoxe Kirche (ROK) bezweifelte dies jedoch, denn Bartholomaios kommemoriere Epifanij – im Gegensatz zu Hieronymos – immer. Erst wenn Hieronymos bei einer Liturgie als Hauptzelebrant Epifanij nenne, sei dies als Anerkennung der OKU zu verstehen.
Am 17. Oktober hatte der Hl. Synod der ROK an einer Sitzung den Moskauer Patriarchen Kirill ermächtigt, Erzbischof Hieronymos in der Liturgie nicht mehr zu kommemorieren, sollte dieser das „Oberhaupt einer der ukrainischen schismatischen Gruppen“ zu nennen beginnen oder andere Handlungen vollziehen, die eine Anerkennung belegen. Die Gemeinschaft mit den griechischen Bischöfen und Priestern, die sich gegen eine Anerkennung der OKU ausgesprochen haben oder dies noch tun werden, soll jedoch aufrechterhalten werden. Patriarch Kirill warnte an der Sitzung des Hl. Synods, dass eine „negative Entwicklung des Themas die orthodoxe Einheit zerstören kann“. Tags darauf sagte er bei einem Vortrag, die ROK sei aufgefordert, ihre „unabhängige Linie“ zur „Bewahrung der Einheit“ der Orthodoxie zu behalten und ihre „geistliche Unabhängigkeit von allen Zentren weltlichen Einflusses“ zu erhalten. Dies sei aber nicht so einfach, daher rufe die ROK das „ganze Volk auf, mit unserer Kirche zu sein“. Unterstützung erhielt die ROK einmal mehr von der Serbischen Orthodoxen Kirche. Bischof Irinej (Bulović) von Bačka warf der GOK vor, einen Schritt zu einem „noch tieferen und gefährlicheren Schisma“ der Orthodoxie gemacht zu haben.
Metropolit Epifanij, das Oberhaupt der OKU, dankte Hieronymos und den griechischen Bischöfen nach der Bischofsversammlung umgehend auf Facebook und hofft, bald nach Athen zu reisen. Patriarch Bartholomaios dankte Hieronymos telefonisch sowie beim gemeinsamen Gottesdienst in Thessaloniki. Erfreut zeigte sich auch der ehemalige ukrainische Präsident Petro Poroschenko, der den Autokephalie-Prozess angestoßen hatte. (NÖK)

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