Republik Moldau: Belege für russische Wahlmanipulationsversuche über die orthodoxe Kirche
Im Vorfeld der Parlamentswahlen vom 28. September ist in der Republik Moldau immer wieder eine mögliche russische Einflussnahme, unter anderem über die mit dem Moskauer Patriarchat verbundene Moldauische Orthodoxe Kirche (MolOK), diskutiert worden. Nun hat die Nachrichtenagentur Reuters einen umfassenden Bericht vorgelegt, in dem diese Vorwürfe weitgehend bestätigt werden. Dazu hat Reuters mit Geistlichen der MolOK gesprochen und Aktivitäten im Messengerdienst Telegram ausgewertet.
Im Zentrum des Berichts stehen Pilgerreisen von moldauischen Geistlichen nach Russland 2024. Dabei wurden die Kosten für die Reise und den Besuch verschiedener heiliger Stätten der Russischen Orthodoxen Kirche (ROK) in Russland vollständig übernommen. Die Geistlichen erhielten auch großzügige Gutscheine für Kirchenläden, um Ikonen, andere kirchliche Produkte und Souvenirs zu kaufen. Zudem bekamen sie Vorträge von Theologen und Historikern zu hören, die die Verbindungen zwischen Russland und der Republik Moldau und den gemeinsamen Glauben, der mit dem moralisch korrumpierten Westen in Widerspruch stehe, betonten. Vor der Heimreise erhielten die Teilnehmer Debitkarten einer russischen staatlichen Bank, auf die nach ihrer Rückkehr Geld eingezahlt wurde. Im Gegenzug wurde von den Geistlichen erwartet, für ihre Gemeinden Kanäle in den sozialen Medien einzurichten, um ihre Gemeindemitglieder über die angeblichen Gefahren einer Annäherung an die EU, die von der aktuellen prowestlichen Regierung vorangetrieben wird, zu warnen. Die Geistlichen wurden teils explizit dazu aufgefordert, im Gegenzug für die Geldüberweisungen Telegram-Kanäle einzurichten und entsprechende Botschaften zu posten. Reuters konnte nicht feststellen, wie viele der Reisenteilnehmenden Bankkarten und Geld erhielten. Betroffene berichteten von Beträgen von 800 bis 1200 US-Dollar, die ihnen überwiesen worden seien.
In seinem Bericht stützt sich Reuters auf die Aussagen von Mihai Bicu, einem Priester der MolOK, und Interviews mit weiteren 14 Geistlichen, von denen vier an einer Pilgerreise teilgenommen haben. Laut ihnen reisten Hunderte Vertreter der MolOK, mehrheitlich Priester, aber auch andere Geistliche und Laien, die mit der MolOK verbunden sind, zwischen Juni und Oktober 2024 nach Russland, ohne etwas zu bezahlen. Nach den Reisen begann eine Online-Kampagne, bei der von August 2024 bis Mai 2025 86 neue Telegram-Kanäle von Gemeinden der MolOK eingerichtet wurden, wie Reuters bei einer Untersuchung in den sozialen Medien feststellen konnte. Viele dieser Kanäle, denen ca. 11‘500 Abonnenten folgen,c veröffentlichten fast täglich identische Inhalte, die die Gläubigen dazu drängten, sich gegen die prowestliche Ausrichtung der Regierung zu stellen. Die Aktivitäten steigerten sich laut Reuters im Vorfeld der Parlamentswahl noch. Die Quelle der meisten Inhalte ist der Kanal Sare şi Lumină, der zwischen Mai und August 2025 über 600 Nachrichten publizierte – fast drei Mal so viel wie in den vorangegangenen vier Monaten –, die von vielen Gemeinde-Accounts geteilt werden. Grundsätzlich vermitteln die Posts die Botschaft, dass die traditionellen Familienwerte der Republik Moldau von der EU bedroht würden. Die EU würde die Moldauerinnen und Moldauer zwingen, LGBT-Identitäten zu akzeptieren, die Moral schwächen und die Religionsfreiheit zerstören. Die Botschaften sind nicht explizit prorussisch, spiegeln aber russische Narrative, die auch von moldauischen Oppositionsparteien, die eine engere Anbindung an Russland propagieren, verbreitet werden. Weder die ROK noch die MolOK wollten auf Anfrage von Reuters einen Kommentar dazu abgeben. Die MolOK betonte zudem kürzlich ihre Neutralität im Wahlkampf.
Reuters konnte weiter feststellen, dass mehrere politische Akteure und Fachleute für soziale Medien, die mit der russischen Regierung verbunden sind, eine Rolle bei der Einbindung von Geistlichen der MolOK in die russischen Propagandabemühungen spielten. Mit Gesichtserkennung bei YouTube-Videos und gestützt auf Aussagen von Teilnehmern der Pilgerreisen konnte Reuters drei Russen mit Verbindungen zu Russlands Regierungspartei identifizieren, die bei den Pilgerreisen als Gastgeber fungierten. Daten aus geschlossenen Telegram-Chats zeigen laut Reuters zudem, dass Personen, die auf ähnliche Weise mit dem Kreml verbunden sind, an der Bereitstellung von Inhalten für die Kampagne in den sozialen Medien und ihre Organisation involviert sind.
Die ROK hatte 2024 nach kritischen Medienberichten über die Pilgerreisen jegliche staatliche Beteiligung bestritten. Es gehe darum, verarmten moldauischen Priestern die Besuche heiliger Stätten zu ermöglichen und die brüderlichen Verbindungen zu stärken. Auch Erzbischof Marchel (Mihăescu) von Bălţi und Făleşti, ein führender Bischof der MolOK, bezeichnete die Befürchtungen über eine russische Kampagne zur Wahlbeeinflussung als unbegründet und Erfindung, um das Versagen der moldauischen Regierung zu überdecken. Die Russlandbesuche der Geistlichen seien nichts weiter als Pilgerreisen und die neuen Kanäle in den sozialen Medien eine lokale Initiative der MolOK, erklärte er in einem Interview im August 2025. Die Bankkarten hätten nur dem Einkauf in einem Kirchenladen in Russland gedient. An einem Gottesdienst in Slobozia-Măgura im August kommemorierte er mehrfach den russischen Patriarchen Kirill und betete für eine Aufweichung der Härte des ukrainischen Volks, und dass es zum Frieden geführt werde. Nach dem Gottesdienst sagte er gegenüber Reuters, dass die EU-Integration die Gefahr berge, dass die Republik Moldau westliche Werte wie die Akzeptanz von Homosexualität akzeptieren müsste. Dies sei die „größte Sünde“. Zum „kulturellen, christlichen Europa“ sage er ja, zum „schwulen Europa“ sage er nein.
In einer Kirche in Hînceşti fand die moldauische Polizei elf Pakete mit je 100 Wahlkampfflyern, die staatliche Einrichtungen verunglimpften und zu religiösem Hass aufriefen. Die Flyer stammten laut Polizei von einer politischen Partei und sollten von den Geistlichen der Kirche an die Gemeindemitglieder verteilt werden. Drei Tage zuvor hatte die Polizei in einer Untergrunddruckerei in Chişinău die gleichen Unterlagen konfisziert. Dabei konnten zwei Verdächtige festgenommen werden, laut denen die Unterlagen im Norden des Landes hätten verbreitet werden sollen. Organisator sei ein lokaler religiöser Anführer der MolOK, der eine Partei, die an den Wahlen teilnehme, unterstützte. Kurz darauf publizierten moldauische Medien Videos, wie Geistliche die Flyer mit dem Titel „Sare şi Lumină“ an Gläubige verteilte, auch an Kinder. (NÖK)

Das Oberhaupt der Moldauischen Orthodoxen Kirche hat sich vorsichtig von Patriarch Kirill distanziert. Gleichzeitig gibt es vermehrt Übertritte von Geistlichen zur Bessarabischen Metropolie, die zur Rumänischen Orthodoxen Kirche gehört. Mihai-D. Grigore ordnet die jüngsten Entwicklungen ein.
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