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Polen: Ehemalige Solidarność-Aktivisten solidarisieren sich mit Denkmalstürzern

06. Mai 2021

Im Prozess gegen drei Aktivisten, die in Danzig am 21. Februar 2019 das Denkmal des „Solidarność-Kaplans“ Henryk Jankowski (1936–2010) gestürzt hatten, haben sich ehemalige Solidarność-Mitglieder mit den Angeklagten solidarisiert. In einer am 27. April veröffentlichten Stellungnahme bezeichneten sie den Sturz des 2012 errichteten Denkmals als „mutige und notwendige Tat“. Jankowski wird des sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen verdächtigt.

In ihrer Stellungnahme schreiben die ehemaligen Solidarność-Aktivisten: „Das Denkmal für Pater Henryk Jankowski hätte niemals im öffentlichen Raum errichtet werden dürfen, denn es war ein Denkmal der Ungerechtigkeit, der Demoralisierung und der Empörung. […] Wir haben versagt. Wir hätten die Errichtung dieses Denkmals nicht zulassen dürfen. Der einmal angerichtete Schaden wurde durch die Anwesenheit des Denkmals täglich vervielfacht. Es verstärkte den Schmerz, das Gefühl der Verlorenheit und der Einsamkeit der Opfer, es zeigte, dass eine Gemeinschaft, die sich den Gedanken der Solidarität auf die Fahnen geschrieben hat, das den Kindern angetane Leid ignoriert oder akzeptiert. Das ist unsere gemeinsame Verantwortung und unsere gemeinsame Schuld.“

Jankowski setzte sich in den 1980er Jahren an der Seite von Lech Wałęsa für die Gewerkschaftsbewegung ein. Im Dezember 2018 veröffentlichte die Tageszeitung Gazeta Wyborcza einen ausführlichen Bericht, in dem Jankowski des sexuellen Missbrauchs beschuldigt wurde, der bereits Ende der 1960er Jahre begonnen habe und ein offenes Geheimnis gewesen sei. Hauptzeugin ist die heute 65-jährige Barbara Borowiecka, die angibt, als Jugendliche mehrmals von Jankowski vergewaltigt worden zu sein; eine Freundin sei bei einer Vergewaltigung schwanger geworden und habe Selbstmord begangen. Der damalige Erzbischof von Danzig, Sławoj Leszek Głódź, unternahm jedoch nichts zur Aufklärung des Falles und erklärte im Herbst 2019, dies sei unmöglich, weil die verdächtigte Person bereits gestorben sei. Dagegen reichte Borowiecka im März 2020 beim Danziger Kreisgericht eine Klage gegen die Danziger Kurie ein, worauf diese eine Kommission zur Klärung der Vorwürfe einsetzte. Wegen Versäumnissen beim Umgang mit Missbrauchsfällen hat der Vatikan im März 2021 Disziplinarstrafen gegen den 2020 emeritierten Danziger Erzbischof Sławoj Leszek Głódź verhängt.

Die drei Angeklagten stürzten anlässlich des Anti-Missbrauchsgipfels im Vatikan im Februar 2019 das Jankowski-Denkmal mit Seilen auf ausgelegte Autoreifen und legten ein Ministrantengewand und Kinderunterwäsche auf den Sockel. Die Statue blieb dabei weitgehend unbeschädigt, weil die Aktivisten den Mythos, nicht das Material zerstören wollten. Das Denkmal wurde einige Tage lang wieder aufgestellt, am 7. März 2019 beschloss der Rat der Stadt Danzig jedoch, Jankowski die Ehrenbürgerschaft zu entziehen, den Jankowski-Platz umzubenennen und sein Denkmal zu entfernen.

Kläger im jetzigen Verfahren sind der Vorsitzende des Büros für kommunale Bauprojekte und ein Abgeordneter der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS), als Nebenkläger treten die Hl. Brygida-Pfarrei und die Mitglieder des Gesellschaftskomitees auf, das das Denkmal stiftete, darunter auch der gegenwärtige Vorsitzende der Danziger Solidarność, Krzysztof Dośla. Die Angeklagten werden der Beleidigung des Denkmals und der Zerstörung von Eigentum beschuldigt. Laut der Anklageschrift des Staatsanwalts, die fünf Jahre Haft fordert, hatte das Umstürzen der Statue des Prälaten einen „Hooligan-Charakter“ und wurde aus einem „offensichtlich trivialen Grund“ begangen. Die Angeklagten plädieren auf nicht schuldig und erklären, dass der Sturz der Statue ein Protest gegen die Vertuschung der Sexualverbrechen von Priestern durch die Kirche als Institution war.

Regula Zwahlen

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