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Belarus: Kritik an antikatholischer NS-Karikatur

09. September 2021

In Belarus hat eine Karikatur, die katholische Geistliche in Beziehungen zum Nationalsozialismus setzt, ein breites Medienecho und Kritik ausgelöst. Die Karikatur zeigt vier Geistliche, die anhand ihrer Darstellung eindeutig als Katholiken zu identifizieren sind, von denen einer anstelle eines Brustkreuzes ein Hakenkreuz trägt und eine weiß-rot-weiße belarusische Flagge hält, in seiner Sprechblase sind die Worte der Hymne „Mahutny Bozha“ („O mächtiger Gott“) zu lesen. Der Geistliche neben diesem blickt zu ihm und formt grinsend aus seinem Kreuz ebenfalls ein Hakenkreuz. Unter der Karikatur steht: „Mutation des Glaubens. Kreuze gibt es verschiedene...“.

Die Gruppe „Christliche Vision“ des oppositionellen Koordinierungsrats verurteilte diesen Vergleich von katholischen Geistlichen mit Nazis in der Zeitung Minskaja Prauda, der offiziellen Publikation des regionalen Exekutivkomitees von Minsk, vom 7. September 2021 scharf. Sie weist die Verbindung zwischen der Hymne und dem Nationalsozialismus entschieden zurück, die in den Erläuterungen neben der Karikatur unterstellt wird. Dort steht, die Hymne sei 1943 von einer Nazisympathisantin geschrieben worden, und sie wird mit Kollaboration assoziiert. Weiter heißt es, die „aktuelle katholische Führung will trotz Bitten und Warnungen aus irgendwelchen Gründen nicht aufhören, in den Kirchen die Kollaborationshymne zu singen“. Die Gruppe betont in ihrem Statement, dass die Hymne keine Hinweise auf Gewalt, Nazismus oder nationale Überlegenheit enthalte, sie sei politisch neutral. Sie richte sich mit der Bitte an Gott, das belarusische Volk für eine produktive tägliche Arbeit sowie in materieller und spiritueller Hinsicht zu segnen. Außerdem könne sie nicht mit dem Nationalsozialismus in Verbindung gebracht werden, da die Musik erst 1947 in Belgien komponiert worden sei. Später habe sich die Hymne verbreitet, sie sei bei belarusischen Christinnen und Christen verschiedener Konfessionen beliebt. 2020 wurde sie bei den friedlichen Massenprotesten gegen die gefälschten Präsidentschaftswahlen und Langzeitherrscher Alexander Lukaschenka gesungen, was ihr die Ablehnung von dessen Regime einbrachte.

Die Darstellung katholischer Priester als Nazis zielt laut der Gruppe „Christlichen Vision“ auf eine Verleumdung der römisch-katholischen Kirche in Belarus und schürt religiösen Hass gegen katholische Geistliche. Dass die Karikatur im offiziellen Organ einer Behörde erschien, deute darauf hin, dass der Staat die antikatholischen Angriffe und das Säen von Ablehnung gegen die katholische Gemeinschaft, die in Belarus eine Minderheit bilde, unterstütze. Das sei ein Verstoß gegen das belarusische Strafgesetz, das in Art. 130 das Schüren von rassistischer, nationaler, religiöser oder sozialer Feindschaft und Hass verbietet. Daher ruft die Gruppe die Sicherheitsbehörden von Belarus auf, den Sachverhalt zu untersuchen. Die staatlichen Medien fordert sie auf, keinen Hass gegen die katholische Gemeinschaft sowie andere Gemeinschaften in Belarus zu schüren. Sie drückt ihre Solidarität mit der katholischen Gemeinschaft sowie ihre „Sorge und starke Ablehnung gegenüber der Feindschaft von Behörden und staatlichen Medien gegen religiöse Minderheiten“ aus und ruft abschließend den Hl. Stuhl zu Aufmerksamkeit und einer „adäquaten“ Reaktion auf.

Die katholische Kirche verurteilte in einer offiziellen Positionierung ebenfalls die Karikatur und stufte sie „als Schüren von Hass in der belarusischen Gesellschaft gegenüber der römisch-katholischen Kirche, insbesondere ihren Hierarchen und Priestern“ ein. Die Publikation „verletzt die religiösen Gefühle der Gläubigen der katholischen Kirche tief“ und beleidige mit ihrer Verwandlung des Kreuzes in ein Hakenkreuz das Kreuz Christi. Mit der Karikatur werde allen Christen der verschiedenen Konfessionen geschadet. Der Pressesprecher der katholischen Kirche in Belarus, Jurij Sanko, kritisierte die Karikatur auf Facebook scharf. Während sich das Volk, erschöpft von den politischen Auseinandersetzungen und der Pandemie, auf den Tag der „nationalen Einheit“ vorbereite, „spuckt die Redaktion der Minskaja Prauda Millionen von Katholiken, die in unserem Land leben, ins Gesicht“. Bei aufmerksamer Betrachtung verletze die Beleidigung des Kreuzes alle Christen.

Der Autor des begleitenden Artikels mit dem Titel „Was in Belarus die katholischen Akteure und ihre polnischen Kuratoren sorgt“ gilt als prorussisch. Mit den Texten auf der Titelseite wird ein Narrativ bedient, das mit Blick auf die Kollaboration einiger nationalistischer Aktivisten mit den Nationalsozialisten im Zweiten Weltkrieg alle späteren nationalen Aktivisten und sogar ihre Symbole als nazistisch klassifiziert. Die Zeitung, die mit staatlichen Mitteln finanziert wird, hat sich laut Medienberichten im letzten Jahr mit „harter prostaatlicher Propaganda, eindeutigen Angriffen auf die Opposition und diejenigen, die nicht mit der Staatsmacht einverstanden sind“, hervorgetan. (NÖK)

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