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Ukraine: Debatte unter UOK-Bischöfen um Autokephalie

09. Oktober 2025

Unter den Bischöfen der Ukrainischen Orthodoxen Kirche (UOK) wird erstmals öffentlich über die Position und Zukunft ihrer Kirche debattiert. So hat der Erzbischof Silvestr (Stojtschev) von Bilohorod, Vikar der Metropolie Kyjiw und Rektor der Kyjiwer Geistlichen Akademie und des Seminars, die staatliche Unabhängigkeit als zentralen Faktor für die Autokephalie einer Lokalkirche bezeichnet. In der Geschichte sei genau das bei Serbien, Griechenland, Rumänien, Polen, Albanien und sogar Russland der Fall gewesen. Die Veränderung staatlicher Grenzen zögen immer Veränderungen im kirchlichen Leben nach sich. Deshalb sei es erstaunlich zu hören, dass „die Veränderung von Staatsgrenzen oder im politischen Status eines Staats sich nicht auf kirchliche Grenzen und die Organisation der obersten Kirchenadministration in einer Lokalkirche auswirken sollten“, schrieb Silvestr auf Facebook.

Entsprechend der Kriterien, die der Moskauer Patriarch Aleksij 1948 formuliert habe, erfülle die UOK alle Bedingungen für die Selbstständigkeit, so Erzbischof Silvestr. Die Kritiker einer vollständigen Unabhängigkeit der UOK beriefen sich auf Konzile, missachteten aber völlig die Beschlüsse des Landeskonzils der UOK vom 22. Mai 2022. Dieses Konzil sei aufgrund der massenhaften Weigerung der Gemeinden, den Namen des Moskauer Patriarchen zu kommemorieren, einberufen worden. Geistliche und Laien hätten von ihren Bischöfen und der Metropolie Kyjiw kirchliche Lösungen gefordert, deshalb „kann mit Überzeugtheit konstatiert werden, dass die Bewegung zur Autokephalie, die durch die Entscheide des Konzils in Feofanija festgehalten wurde, gerade von unten kam und nicht von Bischöfen oder Politikern von oben aufgedrängt wurde“, schrieb der Erzbischof weiter.

Allen, die sich noch immer für eine Unterordnung der UOK unter das Moskauer Patriarchat aussprächen, warf Silvestr vor, dem „Gespräch über die russische kriegerische Aggression gegen die Ukraine, über die Verbrechen russischer Soldaten, über erbarmungslose russische Raketenanschläge auf zivile Objekte und die faktische Unterstützung des Moskauer Patriarchats für die kriegerische Aggression auszuweichen“. Unabhängig zu sein und auf die Autokephalie hinzuarbeiten, bedeute, Verantwortung für die eigenen Gläubigen auf dem eigenen Territorium zu übernehmen, ist er überzeugt. Viele Gegner fürchteten sich schlicht vor der Verantwortung.

Im Gegensatz dazu bezeichnete Metropolit Theodosij (Snigirev) von Tscherkassy in einem Podcast vom 6. Oktober das Konzil in Feofanija von 2022 als „unfrei“. Es sei ein Konzil „mit einer Pistole an der Schläfe“ gewesen, das „keine epochalen Entscheide treffen konnte“. Gegen diese Aussage stellten sich gleich mehrere Bischöfe der UOK. So verkündete Metropolit Filaret (Kutscherov) von Lviv, dass Metropolit Onufrij (Berezovskij), das Oberhaupt der UOK, beim geringsten äußeren Druck das Konzil nicht einberufen hätte. Das Konzil sei aufgrund der Position von Laien, Geistlichen und Bischöfen aus vielen Eparchien der UOK zusammengerufen worden. Zudem seien die Delegierten in Versammlungen der Eparchien gewählt worden, deshalb könne dem Konzil unmöglich die Legitimität abgesprochen werden. Seine Beschlüsse seien außerdem für die ganze UOK bindend, betonte er. Auch Metropolit Varsonofij (Stoljar) von Vinnytsja bestritt einen äußeren Drucks oder Kontrolle durch ukrainische Sicherheitsdienste. Das gesamte Konzil sei eine „ausschließlich innerkirchliche Angelegenheit“ gewesen, die Beschlüsse seien nach gemeinsamer Diskussion und Gebet synodal gefasst worden. Es sei ein „Beweis der lebendigen kirchlichen Einheit, des freien, synodalen Geistes und aufrichtigen Bestrebens unser aller, den Glauben, Frieden und die Liebe in Christus zu bewahren“. Ähnlich äußerte sich Metropolit Jevlogij (Gutschenko) von Sumy, Erzbischof Iona (Tscherepanov) von Obuchyv verteidigte das Konzil ebenfalls. Eine Übersicht über die Positionen der Bischöfe findet sich auf dialog.tut.

Neben Metropolit Theodosij stellten sich auch Metropolit Antonij (Pakanitsch) von Borispyl, der Geschäftsführer der UOK, und Metropolit Luka (Kovalenko) von Zaporizhzhja gegen die Beschlüsse des Landeskonzils und gegen eine mögliche Autokephalie der UOK. Metropolit Onufrij schweigt bisher zu der Debatte. (NÖK)

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