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Jiří Silný über die Anpassung der Restitutionsvereinbarung in Tschechien

07. Februar 2019

In Tschechien ist 2017 die Debatte um das Restitutionsgesetz, das 2013 in Kraft getreten war, wieder aufgeflammt. Nachträglich wurde eine Besteuerung der Restitutionsleistungen an die Glaubensgemeinschaften gefordert. Das Abgeordnetenhaus hat diesem Vorschlag nun offiziell zugestimmt. Wie sind die Reaktionen der Religionsgemeinschaften?
Die Religionsgemeinschaften reagieren natürlich negativ, weil sie dadurch bei den kommenden Zahlungen etwa um zwei Prozent weniger bekommen sollen. Das würde etwa 380 Millionen Kronen von den 2 Milliarden jährliche Zuwendungen, von denen die Römisch-katholische Kirche etwa 80 Prozent bekommt, ausmachen. Außerdem bekommen die anerkannten Kirchen noch jedes Jahr Zuschüsse für die Gehälter der Geistlichen, aber jedes Jahr weniger, bis sie nach 30 Jahren eingestellt werden, und die Kirchen dann selbständig wirtschaften müssen. Für die Kirchen bedeutet das, das erhaltene Geld so zu investieren, dass die Rendite für die Finanzierung nach dem Abschluss des Restitutionsprozesses ausreicht. Für die kleineren Kirchen eine eher unmögliche Aufgabe, auch ohne die Besteuerung. 

Die Gesetzesänderung muss noch von der zweiten Kammer des tschechischen Parlaments, dem Senat, bestätigt werden. Was bedeutet es für die Religionsgemeinschaften, wenn die Anpassung definitiv verabschiedet wird?
Die zweite Kammer, der Senat, wird wahrscheinlich nicht zustimmen. Das Gesetz kommt dann zur erneuten Abstimmung ins Abgeordnetenhaus zurück, wo eine definitive Verabschiedung ziemlich sicher ist. Dann bleibt den Religionsgemeinschaften noch der Rechtsweg – bis zum Verfassungsgericht, wo das Ergebnis unsicher ist. Das relevante Argument gegen die Besteuerung ist, dass die Restitutionsleistungen zwar durch das Gesetz geregelt sind, aber aufgrund des Gesetzes ein Vertrag zwischen dem Staat und den Kirchen unterzeichnet wurde. Es kann gut sein, dass das Gesetz als verfassungswidrig beurteilt wird.

Zu der endgültigen Entscheidung ist also noch ein langer Weg. Falls die Besteuerung in Kraft tritt, wird das heißen, dass ein Teil der Entschädigungen wieder in die Staatskasse zurückfließt. Neulich hat der Kulturminister gesagt, dass diese Gelder z. B. in die Finanzierung der denkmalgeschützten Kirchenbauten fließen könnten.

Die Verhandlungen zum Restitutionsabkommen wurden von den Religionsgemeinschaften und der Regierung 2013 erfolgreich abgeschlossen. Wie ist es nun zu diesem Meinungsumschwung im Parlament gekommen?
Eigentlich war das kein so großer Meinungsschwung. Das Gesetz wurde im Jahre 2013 nur mit einer  sehr knappen Mehrheit verabschiedet und es bestand ein Verdacht (und auch ein Verfahren deswegen), das einige Stimmen gekauft waren. In der Öffentlichkeit war die Form der Entschädigung sehr umstritten, weil die Kirchen gegenüber anderen Restituenten eine privilegierte Stellung hatten und die Gesamthöhe der Entschädigungen in einem nicht sehr transparenten Prozess zustande kam und von vielen als viel zu hoch eingeschätzt wurde. In einigen Kirchen gab es auch innere Kritiker, die gegen diese Regelung waren.

Die Kommunistische und die Sozialdemokratische Parteien waren immer gegen diese Form der Restitution. Die heutige Regierung unter Führung der ANO, der Partei des Ministerpräsidenten Andrej Babiš, ist von den Stimmen dieser beiden Parteien abhängig, wobei die ANO in der Sache sowieso dieselbe Meinung hat; deshalb wurde dieser Punkt ins Regierungsprogramm aufgenommen und hat jetzt eine deutliche Mehrheit im Parlament und sicher auch Unterstützung unter den Wählern dieser drei Parteien.

Jiří Silný, Dr., Theologe, ehemals Pfarrer der Tschechoslowakisch-Hussitischen Kirche und Direktor der Ökumenischen Akademie Prag, zur Zeit wissenschaftlicher Mitarbeiter des Prager Büros der Rosa Luxemburg Stiftung.

Jaroslav Šebek zur neuen Restitutionsdebatte in Tschechien
Interview sebekDer neue tschechische Ministerpräsident hat die abgeschlossen geglaubte Debatte um Restitiutionen an Religionsgemeinschaften in Tschechien neu entfacht. Der Historiker Jaroslav Šebek hält diese aber für rein politisch motiviert und wenig aussichtsreich.