Skip to main content

Montenegro: Kirche ruft nach Parlamentswahlen zu Einheit auf

03. September 2020

Nach dem guten Abschneiden der Oppositionsparteien bei den montenegrinischen Parlamentswahlen betonte die orthodoxe Kirche in Montenegro, dass jetzt „Friede und Einheit im Volk“ das wichtigste seien. So könne „zum ersten Mal seit 75 Jahren eine wirklich demokratische Regierung“ gebildet werden. Der Wandel dürfe kein Anlass für die „Verbreitung jeglicher Intoleranz“ sein und weder Freude noch Unzufriedenheit mit dem Wahlergebnis dürften ein Grund sein, dass die Bürger in Konflikt gerieten.

Da sich nach den Wahlen zahlreiche Menschen vor Kirchen versammelt hatten, betonte der Bischofsrat der Serbischen Orthodoxen Kirche (SOK) in Montenegro in seinem Statement, dass die Kirche diese Versammlungen und Prozessionen weder organisiere noch dazu aufrufe. Die Massenveranstaltungen hätten zu Zwischenfällen geführt, die ungeachtet der genauen Umstände „für uns alle völlig unnötig und schädlich sind“. Zudem würden die Versammlungen ein Potential für Gewalt bergen, die für die bisherige Regierung typisch sei und von der sich das Volk nun befreien sollte. Außerdem verwiesen die Bischöfe auf die noch immer bestehende Gefahr durch das Coronavirus.
Bei den Parlamentswahlen am 30. August gaben mehr als drei Viertel der Montenegriner ihre Stimme ab. Das beste Resultat erzielte mit 35 Prozent die seit fast 30 Jahren regierende Demokratische Partei der Sozialisten (DPS), gefolgt von der Koalition Für die Zukunft Montenegros mit 32,5 Prozent der Stimmen. Das Bündnis Friede ist unsere Nation erreichte 12,5 Prozent und die Bürgerbewegung Schwarz auf Weiß 5,53 Prozent der Stimmen. Damit ist die DPS, zu der auch Präsident Milo Đukanović und Minsterpräsident Duško Marković gehören, zwar noch immer die stärkste Partei, je nach Koalitionsbildung könnte es aber zu einem Regierungswechsel kommen.
Bischof Joanikije (Mićović) von Budimlje und Nikšić führte das Wahlergebnis auf das umstrittene Religionsgesetz zurück, das nach seiner Annahme Ende 2019 zu anhaltenden Proteste in Montenegro geführt hatte. Die Gläubigen hätten sich mit ihrer Teilnahme an Prozessionen gegen das „gottlose Gesetz“ gewehrt und diese Haltung nun in den Wahlen bestätigt. Die SOK, der die meisten orthodoxen Christen im Land angehören, befürchtet, dass mithilfe des Gesetzes ihr Eigentum verstaatlich werden soll.
Die Proteste in Form von Kreuzprozessionen fanden nach der Annahme des Gesetzes mindestens zwei Mal wöchentlich statt, wurden aber wegen der Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus verboten. Trotzdem versammelten sich mehrfach Gläubige, was unter anderem zur Verhaftung von Geistlichen der SOK geführt hatte. Am Sonntag vor der Wahl fanden erneut Kreuzprozessionen statt, die größte bewegte sich von Nikšić in die Hauptstadt Podgorica.
Der Anführer von Für die Zukunft Montenegros, Zdravko Krivokapić, erklärte, sein Bündnis sei bereit, mit den anderen Oppositionsgruppen eine Koalition zu bilden. Als beste Option erscheine eine Expertenregierung. Mit dem Langzeitherrscher Đukanović, dessen Präsidentenmandat noch bis 2023 läuft, wolle man nicht zusammenarbeiten. Als erstes würde eine neue Regierung das Religionsgesetz abschaffen, verkündete Krivokapić weiter. Noch am Wahltag besuchte Krivokapić am späten Abend die Auferstehungskathedrale in Podgorica, wo er mit Metropolit Amfilohije (Radović), dem Oberhaupt der SOK in Montenegro, zusammentraf, den er als „Symbol Montenegros“ bezeichnete. (NÖK)

Emil Hilton Saggau zum Kirchenkonflikt in Montenegro
Interview emil saggau montenegroDer Entwurf für ein neues Religionsgesetz hat in Montenegro zu verstärkten Spannungen zwischen der Serbischen Orthodoxen Kirche und dem Staat geführt. Emil Hilton Saggau erläutert die Position der nicht anerkannten Montenegrinischen Orthodoxen Kirche in diesem Konflikt.

Stefan Kube zum Zusammenleben der Religionsgemeinschaften und ihrem Verhältnis zum Staat in Montenegro
Interview stefan kube montenegroIn Montenegro wird ein neues Religionsgesetz vorbereitet, das von der im Land dominierenden Serbischen Orthodoxen Kirche (SOK) kritisiert wird. Zur Stellung der SOK, ihrem Verhältnis zum Staat und zu den anderen Religionsgemeinschaften äußert sich Stefan Kube.