Serbien: Gedenkgottesdienste zum Jahrestag des Unglücks in Novi Sad
Der serbische Patriarch Porfirije hat am 1. November in der Sveti Sava-Kathedrale in Belgrad einen Gedenkgottesdienst für die Opfer der Tragödie von Novi Sad gefeiert. Bei dem Unglück stürzte am 1. November 2024 das Vordach des neu renovierten Bahnhofs von Novi Sad ein. Zwölf Menschen starben noch am Unglücksort, vier weitere später und ein Opfer befindet sich noch immer im Krankenhaus. Die Tragödie löste die größten Massenproteste seit dem Sturz von Slobodan Milošević aus.
Von Studierenden initiiert, demonstrieren seit einem Jahr regelmäßig zahlreiche Menschen überall im Land gegen Korruption, Nachlässigkeit und fehlende Verantwortlichkeit. Sie werfen den Baufirmen Schlamperei und den Behörden mangelnde Kontrolle vor, sie fordern eine restlose Aufklärung der Ereignisse und vorgezogene Neuwahlen. Ministerpräsident Miloš Vučević war bereits im Januar 2025 zurückgetreten, zwei weitere Minister folgten ihm, zudem laufen drei Untersuchungen zum Unglück. Aber noch wurden keine Beamten offiziell beschuldigt oder angeklagt.
Der 1. November fiel auf den Herbsttermin für das allgemeine Totengedenken, das die Serbische Orthodoxe Kirche (SOK) fünf Mal jährlich begeht. Für den Gottesdienst in der Sveti Sava-Kathedrale versammelten sich Tausende Gläubige, der serbische Präsident Aleksandar Vučić und weitere hochrangige Staatsvertreter nahmen ebenfalls teil. In seiner Botschaft bat der Patriarch um die Aufnahme der Opfer, die er alle mit Namen aufzählte, ins Himmelreich sowie um Trost und Hoffnung für die ihnen Nahestehenden. Weiter bat er um Frieden für alle, in erster Linie um Frieden für jeden einzelnen, aber auch um Frieden zwischen den Menschen. Jeder Mensch müsse sich persönlich darum bemühen, besser zu werden, nur dann werde es allen besser gehen.
In der Kathedrale von Novi Sad fand ebenfalls ein Gedenkgottesdienst statt, den Metropolit Irinej (Bulović) von Bačka leitete. Metropolit Irinej betonte, dass der Toten ständig, in jedem Gottesdienst gedacht werde. In jedem Fall sei das Gebet unabdingbar, ebenso die Hoffnung auf Gott. Zudem sei er aufgrund seines Glaubens überzeugt, dass die unschuldigen Opfer nicht in ein Nichts eingegangen seien, sondern dass Gott sie in sein ewiges Reich aufgenommen habe. Am Gottesdienst nahmen zahlreiche Vertreter der lokalen Behörden und anderer Religionsgemeinschaften teil.
Zum Jahrestag des Unglücks versammelten sich auch an verschiedenen Orten in der Stadt Zehntausende zum Gedenken. Um 11:52 Uhr, dem Zeitpunkt des Einsturzes, gab es eine 16-minütige Stille zum Gedenken an die 16 Todesopfer. Zahlreiche Menschen waren aus anderen Regionen Serbiens nach Novi Sad gekommen. Tausende Studierende hatten teils lange Strecken zu Fuß in die Stadt in Nordserbien auf sich genommen. Auch in vielen anderen serbischen Städten gab es Gedenkveranstaltungen. Die serbischen Behörden hatten einen offiziellen Tag der Trauer angekündigt, strichen aber am Tag zuvor sämtlichen Bahnverkehr. Die Protestierenden unterstellten den Behörden, sie so daran hindern zu wollen, nach Novi Sad zu gelangen.
Offiziell äußert sich die SOK nicht zu den Protesten, so nahm die Bischofsversammlung im Mai 2025 nicht Stellung dazu. Patriarch Porfirije sprach sich mehrfach gegen Gewalt gegenüber den Protestierenden aus, ihm wurden Sympathien für die Demonstrationen nachgesagt. Bei einem Besuch beim russischen Patriarchen und Präsidenten in Moskau diskreditierte er sie jedoch als „Farbrevolution“. (NÖK)

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