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Ungarn: Piaristenorden ließ Missbrauchsfälle aufarbeiten

08. Mai 2025

In Ungarn haben die Piaristen als erste kirchliche Ordensgemeinschaft eine systematische und selbstkritische Aufarbeitung vergangener Missbrauchsfälle innerhalb ihrer Gemeinschaft vorgelegt. Ein eigens eingesetztes Expertenteam sichtete über mehrere Jahre hinweg bis in die 1960er Jahre zurückreichende Archivmaterialien, hieß es bei einem Forum zur Vorstellung der Ergebnisse und zu Kinderschutz-Initiativen am 28. April in Budapest, berichtet das katholische Online-Portal Magyar Kurír.

An dem Treffen nahmen Schüler, Eltern, Pädagogen der Piaristenschulen, Ordensleute sowie externe Fachleute teil. Diskutiert wurde, welche Fortschritte im Kinderschutz erzielt wurden, wo es weiterhin strukturelle Schwächen gibt, und wie eine „Kultur der sicheren Schule“ nachhaltig etabliert werden kann. Die Piaristen gehören zu den wichtigsten kirchlichen Trägern von Bildungseinrichtungen in Ungarn.

Unter den Teilnehmenden des Forums waren Piaristen-Provinzial Viktor Zsódi, Jugendpastoralleiter P. Roland Markus Sch.P., der Leiter des Programms „Sichere Schule“, Pal Strommer, sowie der Franziskaner Benedek Dobszay, Leiter der Strategie für Menschenwürde, und die Kinderschutzexpertin und Psychologin Zsófia Csáky-Pallavicini. Sie gehören zu einem interdisziplinären Gremium, das 2023 von der ungarischen Piaristen-Provinz ins Leben gerufen wurde.

Ziel der Kommission war es, Missbrauchsfälle durch Ordensmitglieder in der Vergangenheit aufzuarbeiten und Empfehlungen für Prävention, Intervention und Rehabilitierung zu erarbeiten. In den Unterlagen aus sechs Jahrzehnten identifizierte die Kommission den Angaben zufolge sieben Täter sexualisierter Gewalt, von denen heute noch drei leben. Die meisten betroffenen Personen waren Jugendliche im schulpflichtigen Alter. Zwei der drei noch lebenden Täter haben den Orden verlassen, ein weiterer ist zwar noch Mitglied, darf jedoch nicht mehr mit Kindern arbeiten.

Die Kommission analysierte auch, wie kirchliche und ordensinterne Verfahren verliefen, wo es Versäumnisse gab, und welche institutionellen Lernprozesse notwendig sind. Insgesamt wurden 55 Handlungsempfehlungen an die Ordensleitung übergeben. Diese betreffen unter anderem den Umgang mit Betroffenen, die externe Tätigkeit von Ordensmitgliedern, transparente Kommunikationswege sowie eine systematische Einbindung bestehender Kinderschutzinitiativen.

Das seit 2018 bestehende Programm „Sichere Schule“ des Ordens verfolgt das Ziel, ein schulisches Umfeld zu schaffen, das „Sicherheit für die ganzheitliche Erziehung des Menschen“ bietet. Die für das Programm zuständige Kommission ist unabhängig von der Ordensleitung und interdisziplinär besetzt. Seit seiner Einführung gingen über eine digitale Plattform rund 80 Meldungen ein, die mehrheitlich Fälle von Mobbing unter Schülern betrafen. Auch Fälle von Gewalt zwischen Lehrpersonen und Schülern sowie zwischen Erwachsenen wurden dokumentiert, meist in Form verbaler oder physischer Übergriffe.

Provinzial Zsódi erneuerte beim Forum seine Bitte um Vergebung und sein Mitgefühl gegenüber den Betroffenen. Er betonte die Bedeutung des persönlichen Kontakts mit Betroffenen, Hinweisgebern und Überlebenden. „Wir müssen eine gemeinsame Kultur des Kinderschutzes aufbauen. Respekt voreinander ist ein elementarer Teil davon. Unsere Zukunft muss durch Dialog gestaltet werden“, sagte Zsódi. P. Markus, Leiter der Jugendpastoral, unterstrich: „Wenn unsere Schüler heute Fürsorge erfahren, tragen wir zur Entstehung einer geschwisterlichen Gesellschaft bei. Wenn sie Missbrauch erleben, fördern wir eine missbräuchliche Gesellschaft.“

Auch der weltweite Generaloberer der Piaristen, Bischof Pedro Aguado, betonte in einer Grußbotschaft an das Forum: „Alles, was wir tun, wird niemals genug sein. Aber wir müssen es tun. Wir müssen ehrlich um Verzeihung bitten, Überlebende begleiten, Täter zur Rechenschaft ziehen – und ihnen zugleich helfen, neu zu beginnen.“ Auch Nuntius Michael W. Banach äußerte sich schriftlich. Die glaubwürdige Aufklärung „schrecklicher Verbrechen“ und die Etablierung klarer Regeln und Verfahren gebe Grund zur Hoffnung auf besseren Schutz von Minderjährigen. (Quelle: Katholische Presseagentur Kathpress, www.kathpress.at)