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Polen: Katholische Bischöfe verteidigen Papst Johannes Paul II. gegen Kritik

02. Dezember 2022

Die Polnische Bischofskonferenz hat erneut Kritik am Umgang von Papst Johannes Paul II. (1978–2005) mit Fällen von Kindesmissbrauch zurückgewiesen. In einer am 18. November veröffentlichten Erklärung des Ständigen Rates der Bischofskonferenz heißt es, dass Johannes Paul II. „dem Problem des Missbrauchs mit Klarheit und Entschlossenheit“ entgegengetreten sei. Er habe bereits 1983 im neuen Codex des Kanonischen Rechts kirchliche Vorgesetzte dazu verpflichtet, Geistliche, die sich des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen schuldig gemacht haben, zu bestrafen, einschließlich deren Ausschluss aus dem Klerikerstand. Auch im Katechismus der Katholischen Kirche von 1992 werde sexueller Missbrauch von Kindern oder Jugendlichen als Sünde bezeichnet.

Anlass für die Erklärung ist Marcin Gutowskis Dokumentarfilm-Serie im Format „Schwarz auf Weiß“ bei TVN24 unter dem Titel „Scheuklappe (poln. Bielmo). Johannes Paul II. musste es wissen, und zwar seit vielen Jahren“ und das darauf basierende Buch „Scheuklappe. Was Johannes Paul II. wusste“ von Oktober 2022. Ausgehend von der Frage, ob die in Rekordzeit erfolgte Selig- und Heiligsprechung (2011/2014) bestimmte Anschuldigungen gar nicht zu Wort kommen ließ, sprach Gutowski mit Missbrauchsopfern, Bischöfen und Kardinälen, engen Mitarbeitern und Freunden des Pontifex und rekonstruierte, welche Informationen dieser erhalten hatte bzw. erhalten wollte, und welche nicht.

Die Bischofskonferenz beklagt, dass Anschuldigungen und Infragestellungen der Heiligkeit des polnischen Pontifex zu einer Art Mode geworden seien. Die mediale Attacke komme von gesellschaftlichen Gruppen, deren Ideologie (mit verzerrtem Menschenbild, Hedonismus, Relativismus und moralischem Nihilismus) der päpstlichen Lehre über den Wert des menschlichen Lebens, die Werte von Ehe und Familie, von der Moral des Sexuallebens und seine Theologie des Körpers nicht entsprächen.

Bei der Suche nach der Wahrheit müsse man auch den historischen Kontext der 1968er Revolution berücksichtigen, die objektive Moralkriterien zurückgewiesen habe. Zudem sei bei dieser Thematik Vorsicht geboten, weil es in kommunistischen Zeiten üblich war, Geistliche in den Massenmedien fälschlicherweise des Missbrauchs Minderjähriger zu beschuldigen. Seit der zweiten Hälfte der 1980er Jahre habe der Papst das Problem vor allem in den USA und Irland wahrgenommen, und sei zum Schluss gekommen, „dass nur ‚eine Kirche, die dem Problem des Missbrauchs mit Klarheit und Entschlossenheit entgegentritt‘, auch der Gesellschaft helfen kann, die Geißel der Sexualverbrechen gegen Minderjährige und Schwache zu bekämpfen.“ Aus dem Handeln Johannes Pauls II. angesichts einer immer deutlicher werdenden Krise ergebe sich „das Bild eines Hirten, der ihr mutig und entschlossen entgegentreten wollte, wobei er sich gleichzeitig bewusst war, dass diese Krise die Fähigkeit der Kirche bedrohen könnte, ihre Sendung in der Welt angemessen zu erfüllen.“ Insofern räumt die Erklärung die damalige „Mentalität der Diskretion“ und „Angst vor transparenter Kommunikation“ ein wie auch die Möglichkeit, dass der Papst nicht immer zuverlässig informiert worden sei. Unbestritten sei jedoch, dass er niemals etwas bewusst „unter den Teppich“ gekehrt habe. Die Heiligsprechung eines Menschen durch die Kirche sei keine Behauptung seiner Sündlosigkeit oder Unfehlbarkeit, sondern das Zeugnis seines Bundes mit Christus.

In einem Interview des Chefredakteurs Zbigniew Nosowski des Medienportals Więź (Bund) mit dem Priester Andrzej Szostek, bis 2004 Professor und Rektor an der Katholischen Universität Lublin, sowie „advocatus diaboli“ bei der Seligsprechung von Johannes Paul II., kam letzterer nach dem Studium der Dokumentationen von „Scheuklappe“ zum Schluss, dass der beschleunigte Prozess der Seligsprechung „aus heutiger Perspektive ein Fehler war“, weil vieles offen geblieben sei und deshalb Raum für Spekulationen biete. Eile sei kein guter Ratgeber, und das habe Johannes Paul II. nun eher geschadet. Der Autor Gutowski wolle ihn sicher nicht verleumden, sondern zurecht die Wahrheit wissen, und leider bleibe der Eindruck bestehen, dass etwas verheimlicht werde.

Auch die Theologin Monika Białkowska fürchtet, dass diese Fragen immer wieder auftauchen, wenn wir sie nicht heute beantworten: „Irgendwann werden die Menschen den Kontext dieser Ereignisse nicht mehr kennen, sie werden die Umstände nicht verstehen, wie wir dachten, und dann kann das Stellen dieser Fragen den guten Namen von Johannes Paul II. beflecken.“

Regula Zwahlen

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