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"Mathilde": Kontrollverlust und Erinnerungspolitik

06. November 2017
Regina Elsner
ZOiS Spotlight 28/2017 (25. Oktober 2017)

Am 26. Oktober wird in Russland der meist diskutierte Film des Jahres in den Kinos anlaufen: „Mathilde“, ein Film über die leidenschaftliche Liebesbeziehung des russischen Thronfolgers Nikolaj Alexandrowitsch Romanow mit der Ballerina Matilda Kschessinskaja, die mit der Hochzeit des zukünftigen Zaren beendet wird. Nikolaj II. wurde im Jahr 2000 heiliggesprochen. Der Film beruht auf historischen Tatsachen, erhebt allerdings keinen Anspruch auf die historische Genauigkeit eines Dokumentarfilms. Seit über einem Jahr geht dieser Premiere eine kontroverse öffentliche Diskussion voraus. Auch für russische Verhältnisse, in denen Kunst und Kultur in den vergangenen Jahren regelmäßig Anlass für Proteste aus konservativen Kreisen war, ist das Aufsehen um „Mathilde“ bemerkenswert.

Bereits dem Trailer waren zahlreiche Proteste gefolgt: Die Duma-Abgeordnete Natalja Poklonskaja forderte mehrfach eine Überprüfung des Films und der Produktionsfinanzen durch die Staatsanwaltschaft. Mehrere sich als orthodox bezeichnende Gruppierungen organisierten Demonstrationen. Die bis dahin unbekannte Organisation „Christlicher Staat – Heilige Rus‘“ drohte zahlreichen Kinobetreibern in Russland und kündigte an, dass jegliche Werbung sowie die Vorführung von Trailer und Film als „Wunsch, die Heiligen der orthodoxen Kirche zu erniedrigen und als Provokation zu einem ‚russischen Maidan‘“, also zu einem regierungskritischen Protest ähnlich dem Euromaidan in der Ukraine 2013-2014, bewertet würden. Eine Petition hatte seit Oktober 2016 knapp 25.000 Unterschriften für das Verbot des Films gesammelt, eine weitere kirchliche Unterschriftensammlung 100.000.

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