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In memoriam Metropolit Filaret (Vachromejev)

27. Januar 2021

Am 12. Januar ist der emeritierte russisch-orthodoxe Exarch von ganz Belarus, Metropolit Filaret (Vachromejev), im Alter von 85 Jahren gestorben. Mitte Dezember war er mit Symptomen einer Covid-19-Erkrankung ins Krankenhaus eingeliefert worden. Aufgrund der Pandemie konnten die orthodoxen Gläubigen nur in kleinem Rahmen von ihrem Hirten Abschied nehmen. Metropolit Filaret hat die orthodoxe Kirche in Belarus über drei Jahrzehnte (1978 bis 2013) geleitet und maßgeblich deren Wiederaufbau nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion vorangetrieben. Den Moskauer Intellektuellen, der sich durch seine Diplomatie und Zurückhaltung auszeichnete, haben die belarusischen Orthodoxen, und nicht nur sie, tief ins Herz geschlossen.

Am 21. März 1935 wurde Filaret in einer Familie von Musikpädagogen in Moskau geboren. Trotz der herrschenden atheistischen Propaganda und der jahrzehntelangen Unterdrückung der Kirche entschied er sich, sein Leben dem kirchlichen Dienst zu widmen. Mit 24 Jahren empfing er die Mönchsweihe. 1965 erfolgte seine Bischofsweihe, zehn Jahre später wurde er in den Rang eines Metropoliten erhoben. Sein Theologiestudium hatte er zunächst am Priesterseminar und später an der Geistlichen Akademie in Moskau absolviert. In den folgenden Jahren war er in unterschiedlichen Aufgabenfeldern seiner Kirche tätig: als Lehrkraft und später als Rektor an der Moskauer Akademie, als Leiter einzelner Diözesen, als offizieller Vertreter der Russischen Orthodoxen Kirche bei zahlreichen interkonfessionellen Treffen und internationalen Veranstaltungen, als Patriarchal-Exarch für Mittel- und später für Westeuropa. Mit seiner Ernennung zum Metropoliten von Minsk und ganz Belarus begann er im Oktober 1978 seinen Dienst für das Land. Im Dezember 2013 wurde seinem wiederholten Gesuch um Versetzung in den Ruhestand entsprochen. Somit wurde Metropolit Filaret zum emeritierten Patriarchal-Exarchen von ganz Belarus.

Mit der Aussage, Metropolit Filaret habe viel für Belarus getan, wird man ihm nicht gerecht. Er begann seinen Dienst, als die orthodoxe Kirche noch stark vom Staat unterdrückt wurde. In der Zeit des politischen und ideologischen Wandels führte er seine Kirche in eine Zeit der Wiederbelebung und leitete sie in den folgenden Jahren durch die Prozesse des Wiederaufbaus, der Stärkung und Umstrukturierung. Die Jahre seiner Tätigkeit sind durch einen enormen Kirchenbau, die Gründung zahlreicher neuer Gemeinden, Klöster und Diözesen, sogar in den infolge der Tschernobyl-Katastrophe verlassenen Gebieten des Landes, geprägt, ebenso durch das Wiederbeleben des Mönchtums und die Einrichtung mehrerer geistlicher Bildungsinstitutionen und Stiftungen.

Nicht nur unter orthodoxen Gläubigen fand Filaret Gehör und genoss gutes Ansehen. Während seiner Zeit als Kirchenleiter wurde Minsk zu einem segensreichen Treffpunkt für interkonfessionelle Gespräche und interreligiöse Zusammenarbeit. Eindrücklich bezeichnete ihn einst der vor kurzem emeritierte katholische Erzbischof Tadeusz Kondrusiewicz als den Stern von Bethlehem in der dunklen Nacht des Atheismus, dank dem man, so Kondrusiewicz, spürte, dass etwas Neues in Belarus ins Leben gerufen wurde.

Vielen Belarusen bleibt Metropolit Filaret viel weniger als ein hochrangiger Hierarch in Erinnerung, vielmehr als ein guter Hirte, als ein Orthodoxer mit starkem Glauben. Ein Hirte, der mit der Gabe der Umsicht und Geistesschärfe versehen war. Ein Hirte, dem man zuhören wollte, und ein Glaubender, dem man nacheifern wollte.

Trotz seines hierarchischen Status war er für alle erreichbar. Ein Student, der für einen kurzen Besuch aus dem Ausland in seine Heimat kam, konnte bei ihm spontan empfangen werden. Dies galt auch für Priester, die aus entlegenen Dorfgemeinden nach Minsk angereist waren, mit deren alltäglichen Schwierigkeiten der Metropolit gut vertraut war.

Er verfügte über einen ausgeprägt feinen Sinn für Humor. An der Fakultät für orthodoxe Theologie, deren Dekan er über mehrere Jahre lang war, hielt er unter anderem eine Vorlesungsreihe über die Theologie des Neuen Testaments. Dabei war der sittliche Zugang zur Textexegese vorrangig, die neutestamentlichen Texte wurden im Lichte der Tradition der Kirchenväter ausgelegt. Dennoch gelang es dem Metropoliten, mitten in der Vorlesung geschickt einen feinen Witz einzufügen und somit die bedeutungsschwere Atmosphäre im Saal zu entspannen.

Dazu verfügte er über eine starke und zugleich sofort wiedererkennbare Stimme. Die Belarusen werden sich gern auch an seinen Sprachstil erinnern, dem eine ausgeprägte Intonation, Kürze und Diplomatie zu Eigen war. Die Letztere erwarb er seinen eigenen Worten zufolge dank seiner langen Lebenserfahrung. Gerade diese Eigenschaft des Verstorbenen werden viele Belarusen schmerzlich vermissen.

Ewiges Andenken!

Alena Kharko, Dr. theol., freiberufliche Dolmetscherin, Absolventin der theologischen Fakultät in Minsk.