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Die Griechisch-Katholische Kirche in der Slowakei

15. Oktober 2020

Ende Mai hat sich der slowakische Parlamentspräsident Boris Kollár für das Verbot der Griechisch-Katholischen Kirche in der Slowakei vor 70 Jahren entschuldigt. Warum geschah dies erst jetzt 30 Jahren nach dem politischen Umbruch?
Im Mai 1990, als Griechisch-Katholische Kirche der Slowakei zum ersten Mal frei war, hat sie sich natürlich an die bitteren Ereignisse 40 Jahre zuvor erinnert. Zu diesen turbulenten Zeiten fand der Jahrestag jedoch kein breiteres Echo, da die Kirche bereits 1968 wiederhergestellt (zugelassen) worden war, obwohl Eigentumsfragen keineswegs zufriedenstellend gelöst worden waren. Daher galt gemeinhin, dass die Rehabilitation bereits 1968 stattgefunden habe. Der aktuelle Sprecher des Nationalrats der Slowakei – das slowakische Parlament –, dem diese Sache eigentlich fernliegt, hat sich auf Anregung seines Parteiumfelds entschuldigt, zu dem auch Griechisch-Katholische Zählen. Nichtsdestotrotz war es für ihn eine willkommene Marketingaktion. Begleitet wurde diese vom Gedenken an das Martyrium des seligen Bischofs Pavol Gojdič. Am Gefängnis in Leopoldov, wo Gojdič inhaftiert war und vor 60 Jahren gestorben ist, wurde eine Gedenktafel angebracht. Anwesend waren unter anderem das Oberhaupt der Griechisch-Katholischen Kirche, Erzbischof Ján Babjak von Prešov, und der stellve. Vorsitzende der Jüdischen Gemeinschaft in der Slowakei, Igor Rintel. Während des Zweiten Weltkriegs hatte Bischof Gojdič viel zum Schutz der verfolgten Juden getan.

1950 wurde die griechisch-katholische Kirche mit der Orthodoxen Kirche der Tschechoslowakei zwangsvereinigt. Wie gestalten sich heute die Beziehungen zwischen den beiden Kirchen?
Die Beziehungen zwischen der orthodoxen Kirche und der griechisch-katholischen Kirche sind momentan zufriedenstellend, insbesondere auf der Ebene der Hierarchie. Unter den Gläubigen können gelegentlich Animositäten wegen Schuldzuweisungen aufgrund der Klärung von Eigentumsfragen (Kirchen, Pfarrhäuser) fortdauern. Denn 1950 war der ganze Besitz der griechisch-katholischen Kirche der orthodoxen Kirche übertragen worden. Der Rückgabe- und Einigungsprozess dauerte bis ins Jahr 2000. Bei dem Verhältnis der beiden Kirchen hängt auch viel von den lokalen Priestern ab.

Welche Rolle spielt die griechisch-katholische Kirche in der heutigen slowakischen Gesellschaft?
Derzeit ist die griechisch-katholische Kirche die drittgrößte Glaubensgemeinschaft in der Slowakei, nach der römisch-katholischen Kirche und der Evangelischen Kirche A.B. Bei der Volkszählung von 2011 wurden 206‘871 Einwohner der Slowakei (3,8 Prozent) als griechisch-katholisch erfasst. Die große Mehrheit der Gläubigen konzentriert sich auf den östlichen Teil des Landes. Die Erzeparchie Prešov und die Eparchie Košice haben die gleichen Grenzen wie die entsprechenden administrativen Regionen. Die dritte Eparchie ist Bratislava, sie umfasst den Rest der Slowakei, das Zentrum und den Westen des Landes. Neben den beiden Männerorden der Basilianer und der Redemptoristen des östlichen Ritus, der auch eine weibliche Kongregation hat, gibt es zudem zwei Frauenorden. Die Basilianerinnen und die Kongregation der Schwestern der Unbefleckten Empfängnis engagieren sich in der Bildungsarbeit und im sozialen Bereich. In Prešov und Košice spielen die griechisch-katholischen Wohltätigkeitsorganisationen auch eine wichtige Rolle bei der Hilfe für Bedürftige und soziale Benachteiligte. Die seelsorgerische und soziale Arbeit in Roma-Gemeinschaften in der Ostslowakei ist ebenfalls wichtig.

Die Griechisch-Katholische Kirche in der Slowakei verfügt über viele Berufungen und genug Priester, so dass sie auch im Ausland, beispielsweise der Ukraine, helfen kann. Einige der Hierarchen dienen oder haben auch außerhalb der Slowakei gedient. Bischof Milan Šašik war bis zu seinem Tod im Juli dieses Jahres das Oberhaupt der Eparchie Mukatschevo in der Transkarpatenregion der Ukraine. Erzbischof Cyril Vasiľ, Apostolischer Administrator der Eparchie Košice, war von 2009 bis 2020 der Sekretär der Ostkirchenkongregation. Bischof Milan Lach verwaltet die weitläufige Diözese Parma in den USA. Bischof Ladislav Hučko ist ein Apostolischer Exarch in Prag.

Die Kirche verschließt sich nicht in sich selbst, sie ist in der Ökumene aktiv und ihre Stimme ist auch in gesamtgesellschaftlichen Diskussionen zu hören. Vor einigen Jahren stießen die Aussagen von Bischof Lach zu Problemen im Gesundheitswesen in der Slowakei auf beträchtliches Echo. Die Predigten von Erzbischof Vasiľ werden auch in säkularen Medien publiziert und kommentiert. Trotz ihrer kleinen Zahl an Gläubigen ist die griechisch-katholische Kirche ein stabiler und respektierter Teil der slowakischen Gesellschaft.

Ján Adam, Dozent am Institut für Geschichte der Universität von Prešov.

Übersetzung aus dem Englischen: Natalija Zenger.

Bild: Griechisch-katholische Kathedrale in Košice. (© Marian Gladis)