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Serbien: Exkommunizierter ehemaliger Bischof Artemije (Radosavljević) gestorben

11. Dezember 2020

Einen Tag nach Patriarch Irinej ist auch der ehemalige Bischof von Raška-Prizren, Artemije (Radosavljević), am 21. November an den Folgen einer Coronavirus-Infektion gestorben. Artemije war von 1991 bis 2010 Vorsteher der Eparchie, die größtenteils im Kosovo liegt. 2010 entzog ihm die Bischofsversammlung der Serbischen Orthodoxen Kirche (SOK) den Bischofsrang und setzte ihn in den einfachen Mönchsrang zurück. Daraufhin gründete Artemije mit seinen Getreuen die schismatische „Eparchie von Raška-Prizren im Exil“.

Geboren wurde der spätere Bischof als Marko Radosavljević 1935 in Lelić, dem Heimatdorf von Nikolaj Velimirović. Bereits in seiner Jugend lernte er Archimandrit Justin Popović kennen, der seit 1948 zurückgezogen im Nonnenkloster Ćelije bei Valjevo in Zentralserbien lebte, nachdem die kommunistischen Machthaber ihn nach dem Zweiten Weltkrieg als Theologieprofessor der Universität verwiesen hatten. Popović weihte ihn 1960 zum Mönch, so dass Artemije zu einem seiner ersten geistlichen Schüler wurde. Zum Theologiestudium ging Artemije nach Belgrad und anschließend nach Athen, wo er promovierte. Nach einigen Jahren als Dozent am Priesterseminar von Prizren zog er 1978 mit dem Segen von Popović und dem späteren Patriarchen Pavle (Stojčević), damals noch Bischof von Raška-Prizren, in das verlassene Kloster Crna Reka in der Nähe von Novi Pazar in Südserbien. Während der folgenden 13 Jahren sammelte er eine Mönchsgemeinschaft von etwa 20 jungen, gebildeten Männern um sich, die später vielfach zu Vorstehern der Klöster im Kosovo wurden, nachdem Artemije 1991 zum Bischof von Raška-Prizren gewählt worden war.

Auch im Kosovo trug Artemije zu einer Erneuerung des monastischen Lebens bei. Bestimmendes Thema seiner Amtszeit als Bischof war insbesondere der serbisch-albanische Konflikt um Kosovo, in dem Artemije als Sprachrohr der serbischen Bevölkerungsgruppe immer wieder Stellung bezog. Früh distanzierte er sich dabei von der Politik Miloševićs, so warf er den Belgrader Machthabern bereits 1993 vor, „nichts für Kosovo geleistet“ zu haben, außer den Polizeiapparat zu verstärken. Zwar stand auch für Artemije fest, dass Kosovo als „Wiege der serbischen Staatlichkeit, Geistigkeit und Kultur“ ein unveräußerlicher Bestandteil Serbiens bleiben müsse, doch sprach er sich in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre für eine Demokratisierung Serbiens und einen interethnischen Dialog aus. Auch suchte Artemije Kontakt zu internationalen Vertretern, um für einen Kantonisierungsplan für Kosovo zu werben. Zudem versuchte er – letztlich erfolglos – zu den Verhandlungen von Rambouillet im Vorfeld des Kosovo-Kriegs 1999 vorgelassen zu werden.

Nach dem Krieg war Artemije zunächst der wichtigste Vertreter der Kosovo-Serben, so wurde er zum Vorsitzenden des Serbischen Nationalrats, der Interessensvertretung der Kosovo-Serben, gewählt. Immer wieder kritisierte er die internationale Gemeinschaft für den aus seiner Sicht zu laschen Schutz der serbischen Bevölkerung und Kulturgüter. Nach den antiserbischen Ausschreitungen im März 2004 ging Artemije auf zunehmende Distanz zur internationalen Gemeinschaft, um schließlich nach der Unabhängkeit Kosovos 2008 jegliche Zusammenarbeit mit den internationalen und kosovo-albanischen Behörden zu verweigern. Artemijes kompromissloser Kurs sowie seine zunehemde antiwestliche und auch antiökumenische Rhetorik brachte ihn aber auch in Konflikt mit der Kirchenleitung. Bereits 2005 übertrug diese daher die Öffentlichkeitsarbeit an Artemijes Vikarbischof Teodosije (Šibalić). Ein Versuch Artemijes, diesen abzusetzen, scheiterte 2008 am Widerstand des Hl. Synods. In den beiden folgenden Jahren eskalierte der Konflikt zusehends, so dass die Bischofsversammlung im Mai 2010 unter der Leitung des neu gewählten Patriarchen Irinej (Gavrilović) entschied, Artemije die Verwaltung der Eparchie Raška-Prizren zu entziehen – er wurde emeritiert, behielt aber seinen Bischofsrang. Zunächst hatte es den Anschein, als ob Artemije die Entscheidung akzeptieren würde, doch bereits wenige Wochen später forderte er ultimativ seine Wiedereinsetzung als Eparchialbischof und kritisierte die Kirchenleitung scharf. Daraufhin entzog ihm die Bischofsversammlung am 19. November 2010 den Bischofsrang und bestimmte Tedosije als neuen Eparchialbischof.

Der Versuch Artemijes und mehrerer ihm treu ergebener Mönche, Klöster in Kosovo zu besetzen, scheiterte, so dass sie die „Eparchie von Raška-Prizren im Exil“ gründeten, die laut eigenen Angaben über 36 Klöster, Kirchen und Kapellen in Serbien, Kosovo, Bosnien-Herzegowina und in mehreren westlichen Staaten verfügt. Die Gruppe blieb allerdings eine fundamentalistische Splittergruppe, die innerhalb der SOK auf keine größere Unterstützung stieß und von dieser als schismatisch angesehen wird. 2015 entzog die Bischofsversammlung der SOK Artemije auch die Mönchsweihe und exkommunizierte ihn. 2019 verlegte Artemije den Sitz seiner „Eparchie“ in seinen Geburtsort Lelić, wo er am 23. November auch begraben wurde. (NÖK)