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Slowakei: 30 Jahre nach Eisernem Vorhang: Freiheit "nie endendes Projekt"

24. Oktober 2019

30 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs sind wichtige Hoffnungen von damals in Europa weiter eine Herausforderung und Aufgabe geblieben: Das haben die Delegierten der 19 Europäischen Nationalkommissionen von „Iustitia et Pax“ bei ihrer viertägigen Jahresvollversammlung im slowakischen Bratislava festgestellt. Habe man im Jahr 1989 geglaubt, Freiheit sei erlangt worden, so sehe man heute, „dass Freiheit, Gerechtigkeit und Versöhnung mehr erfordern als die Beseitigung Eiserner Vorhänge“; sie seien „ein nie endendes Projekt, an dem wir täglich arbeiten müssen“, erklärten die Teilnehmer in der Schlusserklärung ihres Treffens vom 11. bis 14. Oktober.

Im Zuge des Treffens wurde auch das Vorsitzteam von Iustitia et Pax Europa neu gewählt. Die Wiener Sozialethikerin Ingeborg Gabriel, die in den vergangenen sechs Jahren Europa-Vizepräsidentin der kirchlichen Menschenrechtskommission war, kandidierte dabei nicht mehr für eine weitere Amtszeit. Gabriels Funktion im Vorstand übernimmt die dänische Caritas-Generalsekretärin Maria Hammershoy. Iupax-Europa-Präsident Bischof Noel Treanor und auch Generalsekretär Stefan Lunte wurden von den Delegierten in ihren Ämtern bestätigt.

Die Versammlung stand unter dem Motto „Herausforderungen für Solidarität und gemeinsames Leben in Europa 30 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs“. Am Beispiel der Slowakei nennt das Schlussdokument der Vollversammlung von Iustitia et Pax Europa Probleme wie „soziale Ungleichheiten“ etwa im Zusammenhang mit der Benachteiligung und Vereinsamung Älterer sowie die Armut von Familien. Auch hätten Angehörige der Volksgruppe der Roma wegen Diskriminierung Schwierigkeiten beim Zugang zu Bildung, Gesundheitsdiensten, Sozialwohnungen und Beschäftigung. Eine Lösung erfordere nicht nur finanzielle Mittel, sondern „den Aufbau einer Gemeinschaft“. Ein weiteres Beispiel sei „die Situation der Migration, Immigration wie auch der Emigration sowie das Anwachsen des Nationalismus“; sie alle beträfen „nicht nur die Slowakei, sondern Europa als Ganzes“.

Wohl habe der Sturz des Kommunismus den Ländern hinter dem Eisernen Vorhang die ersehnte Freiheit gebracht, sagte der Vorsitzende der Slowakischen Bischofskonferenz, der Pressburger Erzbischof Stanislav Zvolenský, vor den „Iustitia et Pax“-Delegierten. Ein „Leben und Arbeiten ohne Angst vor der Verfolgung durch das kommunistische System“ sei möglich geworden und es habe sich auch die „Chance ergeben, das religiöse Leben in der Slowakei zu erneuern“. Diese Erneuerung habe stattfinden können „auch dank der großen Hilfe der Länder der westlichen Welt“.

Der griechisch-katholische Bischof von Bratislava, Peter Rusnák, hob hervor, dass für die Kirche die Menschenrechte und deren Durchsetzung „einen Schwerpunkt ihrer Soziallehre“ darstelle. Die Kirche habe „diese Aufgabe eines Advokaten und Unterstützers der Menschenrechte namentlich im 20. Jahrhundert erfüllt, und zwar vor allem in den kommunistischen Ländern“, so der slowakische „Iustitia et Pax“-Vorsitzende, der zugleich Kritik übte: Frühere politische Gefangene würden unter der mangelnden auch finanziellen Anerkennung ihrer für die Freiheit gebrachten Opfer leiden, zudem seien auch heute noch „Individuen, die Teil des kommunistischen Regimes waren“, in entscheidenden Schlüsselpositionen. Das „Ausbleiben einer gesetzlichen Verfolgung der Verbrechen des Kommunismus“ stehe außerdem der Schaffung einer „freien, gerechten und sozial kohärenten Gesellschaft“ im Weg.

Der aus Nordirland stammende „Iustitia et Pax Europa“-Vorsitzende Bischof Treanor unterstrich bei der Versammlung die doppelte Aufgabe der Organisation. Einerseits bestehe sie aus ihren nationalen Kommissionen, die durch die gemeinsamen Begegnungen einander besser kennen lernen und ihre Erfahrungen austauschen können. Andererseits wollten sie gemeinsam die Prinzipien der Lehre der katholischen Kirche, wie Frieden, Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung, durchsetzen, und zwar im Dialog mit den politischen Repräsentanten der Europäischen Union und des Europarates.

Abschließend heißt es über das Treffen, als Iustitia et Pax habe man „aus der europäischen Erfahrung des Totalitarismus gelernt, dass die Freiheit der Rede, des Glaubens, von Eigentum und Mobilität ein Schlüssel zum Erkennen des Abbildes Gottes in jeder Person“ sei. Im Speziellen seien „Erziehung (d. h. der Unterricht über die Geschichte, ihre Auswirkung auf die Gegenwart sowie die Förderung von kritischem Denken) und sichere Orte für den Dialog von essenzieller Bedeutung für ein freies, von Menschenrechten, Versöhnung und Solidarität gekennzeichnetes Europa“.

„Iustitia et Pax Europa“ ist das Netzwerk der nationalen „Iustitia et Pax“-Kommissionen, die nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil kirchlicherseits errichtet wurden. Sie setzen sich für Frieden, Gerechtigkeit und die Wahrung der Menschenwürde ein. Ziel ist nach eigenen Angaben zudem ein „vereintes, freies und gerechteres Europa“. Der Sitz des Büros ist in Brüssel. (Quelle: Katholische Presseagentur Kathpress, www.kathpress.at)