Polen: Missbrauchsbetroffene kritisieren erneute Verschiebung der Aufarbeitungskommission
Trotz Bitten von Missbrauchsbetroffenen, schnell dringende Fragen im Zusammenhang mit der geplanten kirchlichen „Aufarbeitungskommission für Missbrauchsfälle“ zu klären, hat die Polnische Bischofskonferenz die Einsetzung der Kommission erneut vertagt. Stattdessen betraute sie eine neue Gruppe unter der Leitung von Bischof Sławomir Oder damit, die Funktionsweise der Kommission unabhängiger Experten zu erarbeiten, „um das Phänomen des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen durch bestimmte Geistliche zu untersuchen“. Der bisherigen Arbeitsgruppe unter der Leitung von Erzbischof Wojciech Polak von Gniezno entzogen die Bischöfe an ihrer Vollversammlung vom 10. bis 12. Juni das Mandat.
Erzbischof Wojciech Polak ist der Delegierte der Bischofskonferenz für den Schutz von Kindern und Jugendlichen, und gilt unter Missbrauchsbetroffenen als anerkannte Autorität, der sich mit dem Thema gut auskennt. Demgegenüber hat sich Bischof Sławomir Oder gemäß der polnischen katholischen Nachrichtenagentur KAI noch nie mit dem Thema befasst – die Missbrauchsopfer könnten diesen Beschluss nur so verstehen, dass ihre Angelegenheit nicht ernst genommen wird. In einem seiner seltenen persönlichen Videokommentare erklärte der Vorsitzende der katholischen Nachrichtenagentur KAI, Marcin Przeciszewski: „Das ist eine Ohrfeige für die Missbrauchsopfer und eine mediale Katastrophe.“
Vor der Vollversammlung der Bischofskonferenz hatten Missbrauchsbetroffene erneut einen Brief an die Bischöfe gerichtet, in dem sie an ihre Forderungen ihres Briefs vom Mai 2024 und an das Treffen der Bischöfe mit einer Delegation von Missbrauchsopfern im November 2024 erinnerten. Sie appellierten an die Dringlichkeit vieler ungelöster Schlüsselfragen, deren Behandlung nicht ständig auf später verschoben werden könnten: „Wir sind weder eine Frage noch ein Thema. Wir sind eure Schwestern und Brüder.“
Der Karmelitenpater Mateusz Filipowski, der als Seelsorger für Missbrauchsopfer dient, teilte seine Wut und Traurigkeit über den Beschluss der Bischofskonferenz in den sozialen Medien. An die Missbrauchsopfer gewandt, bekräftigte er, dass sie nicht allein und vergessen seien; die Bischofskonferenz fragt er: „Nennen Sie mir ein vernünftiges Argument, warum es sich [für die Missbrauchsopfer] lohnt, in der Kirche zu bleiben?“
Jakub Pankowiak, der selbst Opfer von Missbrauch in der Kirche wurde und der nach dem letztjährigen Treffen mit Bischöfen im November große Hoffnungen auf die von Polak angestoßenen Entwicklungen gesetzt hatte, sagte im Interview: „Ich fühle mich enttäuscht und betrogen. […] Unter den Personen, mit denen ich gesprochen habe, dominiert das Gefühl, dass wir getäuscht und ausgenutzt wurden. Dass alles, was wir getan haben – wir als Missbrauchsopfer und auch der Primas [Erzbischof Wojciech Polak] und seine Gruppe – umsonst war. Denn sobald es um echte Entscheidungen ging, stellte sich heraus, dass die Polnische Bischofskonferenz einfach keinen Willen zum Handeln hat.“
Am 13. Juni veröffentlichte die katholische Nachrichtenagentur KAI die aktuelle Fassung der „Leitlinien für die Tätigkeit der Aufarbeitungskommission unabhängiger Experten für die Untersuchung des Phänomens sexueller Missbrauchsfälle minderjähriger Personen in der katholischen Kirche in Polen“. Daraufhin publizierte Priester Wojciech Rzeszowski, Leiter des Büros zum Schutz von Kindern und Jugendlichen der Bischofskonferenz, am 14. Juni eine Erklärung, dass es sich dabei um kein offizielles Dokument der Bischofskonferenz handle, sondern um eine noch vorläufige Studienversion, die weder die letzten Vorschläge der bisherigen Arbeitsgruppe noch die Erörterungen der letzten Plenarsitzung enthalte. Der Rechtsbeirat der Polnischen Bischofskonferenz hatte am 28. Februar 2025 vom Einsatz einer Aufklärungskommission auf der Grundlage des bisherigen Leitlinienentwurfs abgeraten, weil es sich eher um eine „ermittelnde“ statt um eine „wissenschaftlich-historische“ Kommission handle.
Regula M. Zwahlen

Seit dem Kinostart des Films „Klerus“ im Oktober 2018 ist die Missbrauchsdebatte in Polen wieder aufgeflammt. Das Dossier versammelt Meldungen und Interviews zum Thema. (aktualisiert August 2021)Missbrauchsdebatte in Polen
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