Polen: Bischöfe fordern verfassungskonforme Präsidentschaftswahl
Der Ständige Rat der Polnischen Bischofskonferenz hat am 27. April eine Stellungnahme hinsichtlich der umstrittenen Präsidentschaftswahlen am 10. Mai veröffentlicht. Die Bischöfe rufen sowohl die Regierungspartei als auch die Opposition dazu auf „in dieser ungewöhnlichen Situation einen gemeinsamen Standpunkt auszuarbeiten“ und Lösungen zu suchen, die keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Durchführung der Wahlen ließen. Die wegen des Versammlungsverbots aufgrund der Coronavirus-Pandemie per Briefwahl anberaumte Präsidentschaftswahl ist in Polen heftig umstritten.
Die Bischöfe seien sich bewusst, dass die Kirche in einer demokratischen Ordnung „kein Mandat hat, an rein politischen Auseinandersetzungen über die Form oder den Termin einer Wahl teilzunehmen oder sich für die eine oder andere Lösung auszusprechen. Die Mission der Kirche in einer solchen Situation ist aber immer, voller Wohlwollen, die Erinnerung an die besondere moralische und politische Verantwortung, welche die Teilnehmenden am politischen Leben tragen [...] Wir bitten darum, sich vom besten Willen leiten zu lassen, in den eigenen Handlungen das gemeinsame Gute zu suchen, dessen Ausdruck heute gleichermaßen das Leben, die Gesundheit und die soziale Existenz der Polen ist, wie auch ein breites gesellschaftliches Vertrauen in die über Jahre gemeinsam ausgearbeiteten Wahlprozeduren eines demokratischen Staates“, so die Stellungnahme.
Gleichzeitig bringt der Rat auch seine Anforderungen an den Präsidentschaftskandidaten zum Ausdruck. Neben moralischer Rechtschaffenheit, Liebe zum Vaterland, einem Verständnis der Macht als Dienst, politischen Kompetenzen, Dialogbereitschaft und Wertschätzung demokratischer Prinzipien wünscht er sich auch „grundlegende ethische Prinzipien, Wertschätzung des Lebens von seinem Beginn bis zum natürlichen Tod, die Garantie der richtigen Definition der Ehe als beständigen Bund zwischen Mann und Frau, die Förderung einer Familienpolitik und rechtliche Garantien für Eltern, ihre Kinder im Einklang mit ihrem Glauben und ihren Werten zu erziehen“.
Die Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) hat Ende März in der ersten Parlamentskammer die Möglichkeit einer Briefwahl durchgesetzt – ihr Kandidat, der amtierende Präsident Andrzej Duda, führt in allen Umfragen. Die Änderung des Wahlrechts ist jedoch noch nicht in Kraft und wird derzeit im Senat behandelt, doch die Regierung bereitet bereits die Wahlunterlagen vor. Die Opposition bezeichnet das Vorgehen als verfassungswidrig, 612 polnische Richter haben am 28. April an die Regierung appelliert, die Wahlen nicht am 10. Mai durchzuführen. Auch das OSZE-Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte (ODIHR) stellte die Unabhängigkeit der Wahlkommission in Frage. Małgorzata Kidawa-Błonska, die Präsidentschaftskandidatin der oppositionellen Bürgerplattform (PO), bezeichnet die Wahlpläne als Farce und will in dieser Form nicht daran teilnehmen. Auch Donald Tusk, Vorsitzender der Europäischen Volkspartei und von 2014 bis 2019 EU-Ratspräsident hat zum Boykott der Präsidentschaftswahlen aufgerufen.
Regula Zwahlen