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Polen: Polnische Bischofskonferenz zur „Christlichen Gestalt des Patriotismus“

08. Juni 2017
Die katholischen Bischöfe haben einen gesunden, auf Solidarität beruhenden Patriotismus angemahnt. Dieser stehe in Kontrast zu einem egoistischen Nationalismus, der auf Fremdenhass und Überhöhung des eigenen Volkes beruhe, wie das Dokument der Polnischen Bischofskonferenz „Die christliche Gestalt des Patriotismus“ vom 27. April 2017 festhält. Mit ihrem Schreiben reagierten die Bischöfe auf einen offenen Brief, den „Katholiken gegen den Nationalismus“ im April 2016 an Erzbischof Stanisław Gądecki von Poznań gerichtet hatten. Darin forderten sie den Erzbischof auf, eindeutig zu öffentlichen demonstrativen Verbindungen von Nationalismus und Katholizismus Stellung zu beziehen.

Das zwölfseitige Dokument bezeichnet das Aufleben patriotischer Haltungen in Polen in den letzten Jahren als „sehr positive Erscheinung“. Die Liebe zum Vaterland diene der Gestaltung einer gemeinsamen Zukunft, doch die jüngsten Erscheinungen von egoistischem Nationalismus entsprächen dennoch keiner christlichen Haltung. Das Dokument enthält im ersten Teil sieben Aspekte einer „christlichen Perspektive des Patriotismus“. Im zweiten Teil geht es in weiteren sieben Punkten um die „Erziehung zum Patriotismus“. Angesprochen werden dabei eine „verantwortungsbewusste Geschichtspolitik“, die Rolle der Schule und des Religionsunterrichts sowie das Verhältnis von Sport und Patriotismus. Mit Blick auf historische Inszenierungen betonen die Bischöfe, dass diese häufig zu unverhältnismäßigen Banalisierungen neigen: „Von einem christlichen Standpunkt aus muss man betonen, dass Krieg zwar oft menschliche Größe und Heldentum offenbart, doch keine farbige Erzählung oder ein Abenteuer ist, sondern ein Drama, Leid und ein böses Geschehen, das man immer verhindern soll.“ Zum Schluss betonen die Bischöfe, dass sich polnischer Patriotismus auf ein Polen im gemeinsamen Europa als Symbol der Solidarität, Offenheit und Gastfreundlichkeit ausrichten sollte.

Das Dokument der Bischofskonferenz wurde weitgehend als ausgewogene Behandlung der Thematik begrüßt. So würdigte Zbigniew Nosowski, Redakteur der katholischen Zeitschrift Więź (Band) und Mitunterzeichner des offenen Briefs vom April 2016, das Schreiben als „bedeutungsvolles Ereignis“. Angesichts der gleichzeitigen positiven Reaktion rechtsnationalistischer Kreise auf das Dokument frage er sich jedoch, ob auf die schönen Worte auch Taten folgen, falls sich katholische Geistliche offensichtlich nicht an die Empfehlungen des Dokuments hielten.

Erzbischof Gądecki hatte bereits im Herbst 2016 angesichts von Anti-Flüchtlingskundgebungen das Phänomen des Nationalismus als Fremdenhass im Gegensatz zu „gesundem Patriotismus“ scharf verurteilt, nachdem am 18. November 2016 auf dem Wrocławer Marktplatz eine Juden-Puppe verbrannt worden war. Daran waren auch Aktivisten des „Volks-Radikalen Lagers“ (Obóz Narodowo-Radykalny) beteiligt. Deren Anführer veröffentlichte zusammen mit den Vorsitzenden der Volksbewegung (Ruch Narodowy) und der Allpolnischen Jugend (Młodzież Wszechpolska) ebenfalls eine Stellungnahme zu dem Dokument der Bischöfe. Darin bekennen sie sich – unter Berufung auf den National-Demokratischen Politiker der Zwischenkriegszeit, Roman Dmowski, und Kardinal Stefan Wyszyński, Symbolgestalt des geistigen Widerstands gegen das kommunistisch-atheistische Regime Polens – zu „christlichem Nationalismus“ im Gegensatz zu „Chauvinismus“, der andere Völker verachte. Katholizismus bezeichnen sie nicht als Eigenschaft, sondern als eigentliches Wesen des Polentums.

Regula Zwahlen