Kasachstan: Protest gegen Teilnahme des russischen Patriarchen an Religionsforum
Im Vorfeld des VIII. Kongresses von Oberhäuptern von Welt- und traditionellen Religionen in Astana gab es Forderungen, den russischen Patriarchen Kirill nicht einreisen zu lassen. Turar Kusainov, der Leiter der NGO Demos, wandte sich mit einer entsprechenden Aufforderung an den Vorsitzenden des Senats des Parlaments, des Oberhauses des kasachischen Zweikammerparlaments, weil Kirill seiner Ansicht nach nicht das moralische Recht habe, am Treffen der Religionsoberhäupter teilzunehmen. Er bezeichnete den Patriarchen als „politische Propaganda in Mönchskutte“, gefährlich und zerstörerisch, weil er die kriegerischen Handlungen Russlands in der Ukraine gutheiße.
Kusainov stellte Kirills Äußerungen, in denen er das Töten von Ukrainern mit einer „spirituellen Mission“ vergleiche, auf eine Stufe mit der Rhetorik dschihadistischer Organisationen, die Religion benutzten, um Gewalt zu rechtfertigen. Zudem segne der Patriarch Waffen, mit denen seine Glaubensbrüder in der Ukraine getötet würden. Der Patriarch sei ein Kriegsideologe, und wer dazu schweige, mache sich mitschuldig. Kasachstan dürfe nicht eine Bühne für Personen sein, die Mord und Zerstörung rechtfertigten, so Kusainov. Die Bewilligung zu Einzeldemonstrationen vor dem russischen Konsulat und einer Kirche der Russischen Orthodoxen Kirche (ROK) in Almaty wurde Kusainov jedoch nicht erteilt. Der Senatsvorsitzende sagte Medien gegenüber, dass die kasachischen Behörden die Teilnahme von Patriarch Kirill am Treffen ungeduldig erwarteten, sie sei eine große Ehre für das Land.
Iakov Vorontsov, ein ehemaliger Priestermönch der kasachischen Eparchie der ROK, kritisierte ebenfalls, dass Kirill über Frieden – worum es beim Treffen unter anderem ging – sprechen sollte, während er zugleich Russen für den Krieg segne. Ihn zu boykottieren fand er jedoch unnötig, denn ein Konflikt am Kongress könne Kasachstan schaden. Zudem sollte Rücksicht auf die Tausenden Gläubigen der ROK in Kasachstan genommen werden. Auch wenn einige von ihnen die kremltreue kriegerische Position des Patriarchen nicht teilten, sei er doch das Oberhaupt ihrer Kirche. Deshalb rief Vorontsov dazu auf, auf die Gefühle der orthodoxen Mitbürger Rücksicht zu nehmen. Er selbst betonte seine Antikriegsüberzeugungen, verurteilte die religiöse Rechtfertigung des Kriegs und Militarisierung des orthodoxen Christentums und erklärte, für einen gerechten Frieden zu beten und die Ukraine zu lieben.
Beim Kongress am 17. und 18. September trat Patriarch Kirill unter anderem an der Eröffnung und der Schlusszeremonie auf. An der Eröffnung zum Thema „Dialog der Religionen: Synergien im Namen der Zukunft“ betonte Kirill, dass Versuche, einen Frieden im Widerspruch zu Gott zu bauen, die Zukunft der Menschheit verbauen würden. Weiter unterstrich er, dass die Zusammenarbeit religiöser Anführer mit führenden internationalen Organisationen wie der UNO wichtig sei. Denn Religionsführer hätten der Welt etwas zu bieten, damit diese in Zukunft „wenigstens ein bisschen besser, heller und sicherer wird“. An der Abschlussveranstaltung zeigte Kirill sich mit dem Kongress zufrieden. Es sei gelungen, eine „globale interreligiöse Plattform zu schaffen, eine Gruppe Menschen, die daran interessiert sind, sich gemeinsam im Namen des Friedens und der Prosperität zu bemühen“.
Am Rand des Kongresses traf Patriarch Kirill mit einer Reihe Leitungspersonen anderer Religionsgemeinschaften zusammen. So traf er sich mit dem Katholikos des Großen Hauses von Kilikien, Aram I., dem Vorsitzenden der Geistlichen Verwaltung der Muslime der Republik Kasachstan, Nauryzbai Kazhy Taganuly, dem Vorsitzenden der Geistlichen Verwaltung der Muslime des Kaukasus, Scheich-ul-Islam Allahschukur Paschazade, dem Griechisch-orthodoxen Patriarchen von Jerusalem Theophilos und dem Präfekten des Dikasteriums für den Interreligiösen Dialog der römisch-katholischen Kirche, Kardinal George Jacob Koovakad. Zudem nahmen Vertreter der ROK an verschiedenen thematischen Sitzungen sowie an Vorbereitungssitzungen für den Kongress teil. (NÖK)