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Russland: Kriegsgegner Uminskij vom Dienst suspendiert

11. Januar 2024

Der prominente Moskauer Erzpriester Alexej Uminskij ist gemäß Berichten oppositioneller russischer Medien, die sich auf Mitglieder seiner Kirchgemeinde berufen, vom Dienst suspendiert worden. Offiziell informierte die Eparchie der Stadt Moskau nur ganz knapp über die Suspendierung, ohne Angabe von Gründen. Am 11. Januar war Uminskij, der seit 1993 der Dreifaltigkeitskirche an der Chochlovskij-Gasse im Zentrum Moskaus vorgestanden hat, beim Eparchialgericht der Stadt Moskau vorgeladen. Die Verhandlung fand jedoch nicht statt. Das Gericht machte zu den Gründen keine Angaben, möglicherweise ist Uminskij nicht zum Termin erschienen. Außerdem ist Priester Vladimir Lapschin, seit 1996 Vorsteher der Entschlafenskirche an der Gazetnyj-Gasse, ebenfalls im Zentrum Moskaus, vom Dienst suspendiert worden. Er ist einer der letzten Schüler von Alexander Men.

Grund für die Suspendierung ist wohl Uminskijs Kritik an Russlands Krieg gegen die Ukraine. Schon im Februar 2022 bezeichnete er seine Haltung als „eindeutig“, er könne diese „kriegerischen Handlungen nicht unterstützen“, er bete für Frieden und das schnellstmögliche Ende der Kampfhandlungen. Im November 2023 äußerte er sich in einem Interview mit dem ehemaligen Chefredakteur des geschlossenen Radiosenders Echo Moskvy ausführlich zum Krieg. 2021 hatte Uminskij zudem in einem Video dazu aufgerufen, einen Arzt zum inhaftierten Oppositionspolitiker Alexej Navalnyj zu lassen, wofür er vom Fernsehsender des Moskauer Patriarchats heftig angegriffen wurde.

Uminskij ist für sein großes soziales Engagement – unter anderem Besuche bei Häftlingen – sowie seine vielen Publikationen zu Kirchenlehre und Medienauftritte bekannt. Er ist einer der wenigen russischen Geistlichen, die offen mit der Opposition sympathisieren. 2019 zählte er zu den Unterzeichnern eines offenen Briefs, in dem russische Geistliche nach einem massiven Einsatz der Sicherheitskräfte gegen eine Kundgebung in Moskau die Behörden aufforderten, verhaftete Aktivisten freizulassen.

Gläubige der Russischen Orthodoxen Kirche wandten sich mit einem offenen Brief an den russischen Patriarchen Kirill, der auch der Stadteparchie Moskau vorsteht, um sich für Erzpriester Uminskij einzusetzen. Seine Suspendierung verursache bei ihnen „riesigen Schmerz“. Uminskij habe seit 1990 unzählige Menschen zum Glauben geführt und eine „große, lebendige und aktive Gemeinde“ geschaffen. Er sei „in das reale Leben der Gesellschaft“ eingebunden und spreche mit den Menschen über aktuelle Themen. Seine „Predigten, Bücher, Artikel und öffentlichen Auftritte geben einer riesigen Menge Gläubigen Kraft und Unterstützung und beantworten Fragen, die die Menschen heute wirklich beschäftigen“. Zudem betonten sie das umfangreiche soziale Engagement von Uminskij und seiner Gemeinde für schwerkranke Kinder und Erwachsene in Hospizen, für Obdachlose und Häftlinge. Uminskijs Suspendierung entziehe Tausenden Menschen die spirituelle Unterstützung, „eine große Tragödie für viele Gläubige, für Patienten des Kinderhospizes, für Hunderte Häftlinge und Tausende Obdachlose“. Die Verfasser hoffen, dass die Entscheidung „zugunsten des seelischen Gleichgewichts der Gläubigen“ revidiert werde. Der Brief vom 9. Januar erhielt bis zum Morgen des 11. Januar 9500 Unterschriften.

Auch in den sozialen Medien bedauerten viele Kommentatoren Uminskijs Suspendierung, wobei sie nicht überrascht sind. Der bekannte orthodoxe Blogger Andrej Kurajev, dem das Moskauer Patriarchat den Priesterrang aberkannt hat, prophezeite, dass viele Gläubige Uminskijs ehemalige Gemeinde und möglicherweise die Russische Orthodoxe Kirche überhaupt verlassen würden. Aber das kümmere den russischen Patriarchen „nicht mehr als der Schmerz der Ukrainer, von denen er denkt, sie seien seine Herde“.

Zum Nachfolger Uminskijs als Vorsteher der Dreifaltigkeitskirche ist ausgerechnet Erzpriester Andrej Tkatschov ernannt worden. Dieser ist 2014 aus der Ukraine geflohen, weil er die russische Annexion der Krim und die Gründung der sog. Volksrepubliken Donezk und Luhansk befürwortet hatte. Heute ist er ein aktiver Unterstützer des Kriegs gegen die Ukraine, zu dem er sich häufig auf dem Fernsehsender Spas, der vom Moskauer Patriarchat betrieben wird, äußert. Er hat bereits die ersten Gottesdienste, darunter an Heiligabend in seiner neuen Kirche gefeiert. Auf der Seite der Moskauer Eparchie ist er als Vorsteher der Kirche aufgeführt, während Uminskij in der Liste der Geistlichen der Eparchie völlig fehlt. Die Website der Gemeinde ist nicht erreichbar. (NÖK)