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Russland: Russische Orthodoxe Kirche erhält Rubljovs Dreifaltigkeitsikone

17. Mai 2023

Der russische Präsident Vladimir Putin hat entschieden, der Russischen Orthodoxen Kirche (ROK) die berühmte Dreifaltigkeitsikone von Andrej Rubljov zu übergeben. Bisher war die Ikone aus dem frühen 15. Jahrhundert in der Moskauer Tretjakov-Galerie ausgestellt gewesen. Im Laufe des Jahres soll sie in der Christ-Erlöser-Kathedrale in Moskau zur Verehrung aufgestellt werden. Danach will die ROK sie ins Dreifaltigkeitskloster in Sergijev Posad in der Nähe von Moskau überführen.

Das Moskauer Patriarchat beteuerte, die Forderungen des Museums zur sachgemäßen Bewahrung der Ikone zu erfüllen. Es will in der Christ-Erlöser-Kathedrale die nötigen Bedingungen dafür schaffen und die Ikone vorbereiten. Die Dreifaltigkeitsikone befand sich seit 1929 in der Tretjakov-Galerie, als die sowjetischen Behörden sie dem Museum übergaben. Davor war sie sich seit 1575 im Dreifaltigkeitskloster in Sergijev Posad aufbewahrt worden.

Der ROK wird zudem der Sarkophag von Alexander Nevskij zur kostenlosen Nutzung überlassen, ein entsprechendes Abkommen wurde am 10. Mai von der Eremitage in St. Petersburg, wo sich der Sarkophag derzeit befindet, unterzeichnet. Der Vertrag gilt 49 Jahre und kann verlängert werden. Der Sarkophag wird in die Alexander-Nevskij-Dreifaltigkeits-Lavra in St. Petersburg gebracht, wo auch die Reliquien des Hl. Alexander Nevskij aufbewahrt werden. Bis zum 1. Dezember soll der Hauptteil des Sarkophags der Kirche übergeben werden, der Rest nach Abschluss der Restaurierung durch die Eremitage, die seit 2011 durchgeführt wird.

Als Grund für die Übergabe gibt die Eremitage die „besondere Bedeutung, die heute das Bild des heiligen Großfürsten Alexander Nevskij als himmlischer Beschützer des russischen Heers und der vaterländischen Diplomatie erhalten hat“, an. Allerdings gab das Museum zu bedenken, dass das Artefakt „sehr zerbrechlich“ sei und in den letzten 100 Jahren vier Mal vor dem Zerfall gerettet werden musste. Daher seien im Vertrag mit der ROK „zwingende Anforderungen“ an die Aufbewahrung und Restaurierung des Denkmals enthalten. Falls gegen diese verstoßen würde, kann das Museum den Vertrag einseitig auflösen. Die Alexander-Nevskij-Dreifaltigkeits-Lavra ist verpflichtet, Temperatur- und Feuchtigkeitsbedingungen zu kontrollieren und eine Vitrine bereitzustellen. Erst wenn die Eremitage die Aufbewahrungsbedingungen absegnet, wird der Sarkophag übergeben.

Die Aufbewahrungsbedingungen der Dreifaltigkeitsikone sorgen ebenfalls für Besorgnis. Kunsthistoriker und Restaurateurinnen in Russland befürchten das Schlimmste für die Ikone, die sehr empfindlich ist und bereits bei einer dreitägigen Ausstellung im Dreifaltigkeitskloster in Sergijev Posad 2022 bereits Schäden erlitten hatte. Jede Verlegung aus den konstanten Aufbewahrungsbedingungen im Museum stufen sie als riskant ein und bekämpfen deshalb seit Jahrzehnten eine Übergabe der Ikone an die ROK.

Die russische Journalistin, Xenia Loutchenko, die immer wieder auch über kirchliche Themen berichtet, kritisiert die Übergabe ebenfalls. In einem Beitrag im Wheel Journal entkräftete sie das Argument, dass Ikonen für die Kirche geschaffen wurden und deshalb in eine Kirche und nicht in ein Museum gehörten. Historisch betrachtet seien Ikonen in der ROK Gebrauchsgegenstände gewesen, die erneuert und übermalt wurden, aber nicht bewahrt. Erst ab dem 19. Jahrhundert wurde ihnen ein Wert zugemessen, wobei sie von Kunsthistorikern und Museen „entdeckt“ wurden. Gelegentlich hätten auch die Kirchen Bedingungen zur Bewahrung besonders wertvoller oder antiker Gegenstände, darunter Ikonen geschaffen, die sie aus dem Umlauf zogen und in Schatzkammern oder anderen – museumsähnlichen – Räumen aufbewahrten.

Zudem gelte die Verehrung nicht der Ikone selbst als materiellem Objekt, als Farbe auf einem Brett, sondern dem Abgebildeten. Daher spiele es für das Gebet kaum eine Rolle, ob es vor einem wertvollen Gemälde oder einer Papierikone stattfindet, so Loutchenko weiter. In diesem Sinn würde eine Kopie der Dreifaltigkeitsikone ihren Zweck ebenfalls erfüllen, da die physische Ikone keine spirituelle Macht hat. Ihr kultureller und historischer Wert sowie ihre symbolische Bedeutung seien allerdings unbestritten. Noch weniger sinnvoll sei die Übergabe des Sarkophags, da es nur ein leerer Schrein sei, die Reliquien befinden sich bereits in der Lavra, so Loutchenko.

Das Drängen auf die Übergabe von Kunstdenkmälern an die Kirche passe in ein „magisches Denken“, das die ROK seit Jahrzehnten praktiziere und fördere, führt Loutchenko weiter aus. Dabei werde die Verehrung materieller Objekte und ihre Aufladung mit „besonderen Kräften“ den Gläubigen gegenüber erfolgreich propagiert. Dieses magische Denken stehe möglicherweise auch hinter den Gründen für die Übergabe aufseiten des Staats. Mit den Geschenken soll die ROK zufriedengestellt werden, damit sie „besser betet“, vermutet Loutchenko. (NÖK)