Russland: Neue Unstimmigkeiten wegen Übergabe des Andronikov-Klosters
Die Russische Orthodoxe Kirche (ROK) will einen Umzug des Museums für altrussische Kunst und Kultur aus den Gebäuden des Andronikov-Klosters nicht forcieren. Ausgewogene Entscheidungen brauchten Zeit, daher stehe man vor einer langwierigen Arbeit, die bis zu 20 Jahre in Anspruch nehmen könnte, erklärte der Leiter des Expertenrats der ROK für kirchliche Kunst, Erzpriester Leonid Kalinin.
Die ROK und das Museum, das nach dem berühmten Ikonenmaler Andrej Rubljov benannt ist, haben laut Kalinin „dasselbe Verständnis vom Wert“ des Museums. Der Kirche sei klar, dass es kein gewöhnliches Kloster sei und die „Nutzung der Gebäude, auch die gemeinsame“ werde von Anfang entsprechend geplant. An den Details arbeite die gemeinsame Kommission im Rahmen des Kulturministeriums und zurzeit denke niemand daran, das Museum umzusiedeln.
Die ROK hat im März einen Antrag zur Übergabe des Andronikov-Klosters gestellt. Beim Museum stieß dieses Anliegen auf Kritik, da bereits jetzt der Platz knapp und die bisherige Zusammenarbeit mit der ROK gut verlaufen sei. Auf dem Gelände befindet sich eine Kirchgemeinde, in der Kathedrale finden regelmäßig Gottesdienste statt und die ROK ist an der Erarbeitung von Entwicklungsstrategien beteiligt.
Kalinins Äußerungen folgen auf Klagen von Mitarbeitern des Museums, dass die ROK nicht zu Kompromissen bereit sei. Der Museumsdirektor Michail Mindlin bemängelte, dass von der ROK bisher keine Vorschläge gekommen seien. Es sei lediglich mitgeteilt worden, dass der Vorschlag des Museums nicht passe. Um das Kloster wiederzubeleben, brauche es mehr Platz, aber dann bleibe kein Platz mehr für das Museum, befürchtet Mindlin. Das Museum habe vorgeschlagen, der ROK einen Teil der Gebäude zu übergeben, das sei aber ohne Gegenvorschlag abgelehnt worden.
Bereits zuvor hatte eine Mitarbeiterin des Museums die Verhandlungen mit der ROK als schwierig bezeichnet. Die Kirche wolle nichts abgeben und das Gelände nicht mit dem Museum teilen. Ähnlich schildert eine weitere Mitarbeiterin die Lage und befürchtet, das Rubljov-Museum werde aufgelöst, wenn kein Kompromiss gefunden wird. Zudem verweist sie darauf, dass sich die beiden Parteien nach der Perestroika auf die gemeinsame Nutzung der Kathedrale geeinigt hätten. Umso unverständlicher sei das Vorgehen der ROK angesichts der Verdienste des Museums bei der Rettung der Klostergebäude und bei der Bewahrung von Ikonen in der Sowjetzeit sowie bei seinen Bemühungen, einem breiteren Publikum alte Ikonen näherzubringen.
Die russische Zeitung Novaja Gazeta kritisierte, dass unklar sei, wer das Kloster überhaupt bewohnen solle, denn in den anderen Klöstern Moskaus lebten meist auch nur kleine Gemeinschaften. Auch bewegten sich die Kirchenbesuche in Russland auf einem „Rekordtief“. In der Kathedrale des Andronikov-Klosters versammelten sich sonntags lediglich 30 bis 35 Personen zum Gottesdienst. Vor diesem Hintergrund sei es unverständlich, dass die ROK die Klostergebäude so unbedingt zurückfordere.
Ganz anders schildert der Direktor der Ermitage, Michail Piotrovskij, die Lage. Es gebe einen Entwicklungsplan für das Rubljov-Museum, der gemeinsam mit dem Patriarchat entwickelt wurde, sowie einen gemeinsamen Entwicklungsplan für das Kloster. Dabei seien der Bau von großen Magazinen und die Rückgabe von einzelnen Gebäuden zur Einrichtung des Klosters vorgesehen. Auf jeden Fall bleibe das Museum im Andronikov-Kloster bestehen. Den Wert des Museums für die Kirche schätzte Piotrovskij als ebenso hoch ein, wie den der Klosteranlage selbst. (NÖK)