Weißrussland: Lukaschenko lehnt Gesetzesentwurf zur Bekämpfung häuslicher Gewalt ab
Beim Besuch eines Militärübungsplatzes am 5. Oktober 2018 hat der weißrussische Präsident Alexander Lukaschenko einen Gesetzesentwurf zur Bekämpfung häuslicher Gewalt scharf kritisiert. Das vom weißrussischen Innenministerium entworfene Gesetz hat zahlreiche gesellschaftliche Diskussionen ausgelöst. Mit den zuständigen Ministerien, Ämtern und dem Ministerrat war die Vorlage bereits abgestimmt, im Oktober 2018 hätte sie schließlich dem Präsidenten vorgelegt werden sollen.
Angesichts der heftigen Reaktion des Staatsoberhaupts scheint der Versuch, ein solches Gesetz noch dieses Jahr zu verabschieden, aussichtslos. „Das ist alles Quatsch, der vor allem aus dem Westen kommt. Machen Sie sich keine Sorgen deswegen […] wir werden uns ausschließlich von unseren eigenen Interessen, von unseren weißrussischen, slawischen Traditionen und von unserer Lebenserfahrung leiten lassen. […] Irgendwo ist irgendjemand mit der Bekämpfung häuslicher Gewalt in der Familie herausgeplatzt. Das ist heutzutage eine Trendformulierung im Westen. Dort gibt es bald keine Familien mehr: ein Mann heiratet einen Mann. Keiner kann mehr Kinder zur Welt bringen. Und wir übernehmen von ihnen irgendwelche Normen für das Familienleben“, so Lukaschenko. Stolz gab er zu, dass er seinen ältesten Sohn mit Schlägen erzogen habe. „Ein guter Gürtel ist manchmal auch nützlich fürs Kind. [...] Das ist unsere Tradition, unser Leben und wir werden so erziehen, wie es richtig ist. Und die Wünsche der Miliz werden wir berücksichtigen, aber vielleicht nicht in der Form eines einzelnen Gesetzes, sondern werden uns mit Änderungen zu bereits vorhandenen Gesetzen behelfen”. Ein zentrales Anliegen des Gesetzesentwurfs ist das unter anderem das Verbot, Kinder zu schlagen. Nach strengeren Regelungen verlangen auch Vertreter der Polizei.
Direkt im Anschluss wurde am 5. Oktober der Metropolit der Weißrussischen Orthodoxen Kirche, Pavel (Ponomarev), zu diesem Thema befragt und er äußerte unerwartet eine ausgewogene Position – er sei lediglich über eine mögliche Einschränkung der Elternrechte bei der religiösen Erziehung von Kindern besorgt. Er erklärte, diese Thematik mit einem der Autoren des Gesetzentwurfes an der Sitzung des Hl. Synods im August bereits besprochen zu haben. Bereits 2014 hatte die Weißrussische Orthodoxe Kirche aufgrund eigener Erfahrungen mit mehreren Fällen häuslicher Gewalt die „Konzeption des Sozialdienstes der Kirche zur Stärkung der Familie und Bekämpfung häuslicher Gewalt“ erarbeitet, die aber bis jetzt nicht veröffentlicht und implementiert wurde.
Von den anderen christlichen Kirchen Weißrusslands war der Gesetzesentwurf scharf kritisiert worden. Noch vor der Veröffentlichung des Textes auf der Internetseite des Innenministeriums am 10. Juli 2018 wandte sich Ende Juni der katholische Erzbischof von Minsk-Mohilev, Tadeusz Kondrusiewicz, mit einem offenen Brief an den Präsidenten und forderte diesbezüglich eine öffentliche Diskussion. Nach der Veröffentlichung wurde ein Internet-Forum für Fragen, Anregungen und Diskussionen auf einem offiziellen Rechtsportal eingerichtet. Der Text des Gesetzes ist inzwischen nicht mehr verfügbar.
Am 15. August schrieben auch Vertreter von vier evangelischen Kirchen in Weißrussland ebenfalls einen offenen Brief an den Präsidenten, in dem sie ein Gesetz fordern, das die „Propaganda von LGBT-Kultur“ unter Minderjährigen verbietet (ähnlich dem russischen Gesetz von 2013). In diesem Schreiben wird der Gesetzentwurf zur Bekämpfung häuslicher Gewalt zwar nicht erwähnt, lediglich die Gewährung des „Rechts der Eltern auf Erziehung ihrer Kinder in einer moralisch gesunden Umwelt“. Trotzdem brachte einer der Unterzeichner, der Bischof der Vereinten Kirche der evangelischen Christen (Pfingstgemeinden), „homosexuelle Propaganda“ in direkten Zusammenhang mit dem geplanten Gesetz. Er äußerte seine Befürchtungen hinsichtlich des sog. Jugendschutzes, der unter dem Deckmantel des Schutzes von Kindern angeblich Eltern in ihren Rechten beschränken würde.
Am 22. August wurde auf katolik.life eine ebenfalls an den Präsidenten gerichtete Petition zum Unterschreiben veröffentlicht, die von Pro-Life-Vereinen initiiert wurde. Zwar anerkennen die Autoren das Ausmaß des Problems häuslicher Gewalt in der weißrussischen Gesellschaft, sehen die Schuld allerdings lediglich bei der heutigen Massenkultur und lehnen jegliche Maßnahmen zur Prävention häuslicher Gewalt seitens des Staates ab.
Alena Alshanskaya, Dr., assoziierte wissenschaftliche Mitarbeiterin am Arbeitsbereich Osteuropäische Geschichte, Johannes Gutenberg-Universität Mainz.
Alena Alshanskaya nimmt Stellung zu den Äußerungen von Erzbischof Tadeusz Kondrusiewicz von Minsk-Mohilev zu einem Gesetzesvorhaben zum Schutz vor häuslicher Gewalt. Der Erzbischof kritisiert das Vorhaben, weil es aus seiner Sicht die Rechte von Eltern zu sehr beschneidet.
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