Belarus: Unterschriften für Verbot von „Gay-Propaganda“ gesammelt
In Belarus sind über 52‘000 Unterschriften gesammelt worden, um ein Verbot der „Propaganda und öffentlichen Demonstration von Homosexualität und anderen sexuellen Verdrehungen“ gegenüber Minderjährigen zu erreichen. Die Petition ist an den weißrussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko gerichtet und fordert ihn auf, ein entsprechendes Gesetz zu erlassen. Zudem wird die Einführung eines nationalen Programms zur Bewahrung traditioneller Werte angeregt, das „die Existenz der Weißrussen als eigenständige und souveräne Nation“ gewährleiste.
Die Initiative für die Petition stammt von der Organisation Offene Herzen, die seit Juli 2019 Unterschriften sammelt. Ende September erhielt sie von der katholischen Kirche in Belarus Unterstützung, woraufhin auch in katholischen Kirchgemeinden Unterschriften gesammelt wurden. Im November schlossen sich der Initiative auch orthodoxe Gläubige an, die in Gemeinden und vor allem durch das Kloster der Hl. Elisabeth in Minsk Unterschriften sammelten. Im Initiativtext heißt es, die „LGBT-Ideologie“ widerspreche „dem gesunden Verstand und christlichen Prinzipien sowie dem Konzept der nationalen Sicherheit und zielt auf die Senkung der Geburtenrate und die Zerstörung der traditionellen Familie“.
Gefordert wird eine Bestrafung von Verstößen gegen das vorgeschlagene Gesetz im Rahmen des Strafrechts. Wie diese Strafen aussehen sollten, konnte Vladislav Volochovitsch, der Direktor von Offene Herzen, an einer Pressekonferenz zur Präsentation der Unterschriften jedoch nicht sagen. Die Frage solle von Spezialisten beantwortet werden. Eine klare Definition von „LGBT-Propaganda“ lieferten weder das Dokument noch Volochovitsch. Als Beispiele nannte er das Aufhängen der Regenbogenfahne am Gebäude der britischen Botschaft in Minsk, das Festival für Queer-Kultur „Dotyk“ und Seminare zur Gleichberechtigung der Geschlechter. Die Unterschriften seien gesammelt worden, um den Wunsch der Weißrussen, in einer Umgebung mit traditionellen Familienwerten zu leben, zu demonstrieren. Diese Werte seien „Keuschheit bis zur Ehe, Treue innerhalb der Ehe, Kinderreichtum und Offenheit für die Geburt jedes Kindes“, erklärte Volochovitsch weiter.
Für den katholischen Erzbischof Tadeusz Kondrusiewicz von Minsk-Mohilev ist die Initiative ein „Schrei aus der Seele der Eltern, die sich um die Erziehung ihrer Kinder Sorgen machen“. Die Unterschriftensammlung bedeute nicht Hass gegenüber LGBT-Menschen – „wir sind nicht gegen jemanden, wir sind für den Schutz christlicher Werte“, sagte Kondrusiewicz an der Pressekonferenz. Die katholische Kirche sei nie für die Verfolgung von jemandem gewesen, könne aber die Sünde nicht tolerieren, fügte er hinzu. Erzpriester Andrej Lemeschonok vom Kloster der Hl. Elisabeth glaubt, die Initiative entspreche der Position der orthodoxen Kirche in Belarus und werde auch von der Mehrheit der Bevölkerung geteilt. Er kenne Fälle von LGBT-Menschen, die dank der Religion „geheilt wurden und normale Familien gründeten“.
In der Weißrussischen Orthodoxen Kirche, die dem Moskauer Patriarchat untersteht, gibt es jedoch auch Kritik an der Initiative. So lehnt Erzpriester Pavel Serdjuk, der Leiter der Synodalabteilung für Familie sowie Schutz von Mutterschaft und Kindheit, den Text des Dokuments ab, weil er „undeutlich formuliert“ sei, einen „manipulativen Charakter“ habe und im Aufruf an den Staat „aggressiv“ sei. Er könne eine solche Initiative nicht christlich nennen. Besondere Sorge bereitet ihm, dass sich der Aufruf an den Staat als höhere Autorität richtet, die mit bestimmten Instrumenten auf den moralischen Zustand der Gesellschaft wirken soll. Mit diesem Vorgehen „demonstrieren wir unsere Hilflosigkeit“, es lasse das Beispiel eines christlichen Lebens als wirkungslos erscheinen. Gefahren für die Familie sieht Serdjuk nicht in den Aktivitäten von LGBT-Aktivisten, sondern in Abtreibungen, Alkoholismus und anderen Abhängigkeiten, leicht zu erreichenden Spiellokalen, Pornografie und unverantwortlichem sexuellem Verhalten. Zudem lehnt er es ab, dass die Kirche mit ihrer Erfahrung der Verfolgung im 20. Jahrhundert nun selbst Strafmaßnahmen fordert. Man müsse in der Öffentlichkeit ein positives Bild der traditionellen Familie schaffen, denn die heutige Gesellschaft lasse sich keine Lebensstandards aufzwingen.
Am Abend nach der Pressekonferenz veröffentlichte die LGBT-Gruppe Makeout ein Statement. Darin heißt es, „sie sagen uns, ‚die Weißrussen teilen unsere Initiative‘. Aber wir sind auch Weißrussen, wir zahlen Steuern, studieren und arbeiten in diesem Land. Wir sind Töchter und Söhne, Nachbarn und Kollegen“. Zum religiösen Hintergrund der Initianten und Unterzeichner erklärten sie, auch sie seien Gläubige, man solle aufhören, so zu tun, als ob es keine LGBT-Gemeindemitglieder gäbe. Die Aktivisten riefen die LGBT-Gegner auf, nicht länger „Wände zwischen Menschen zu bauen und Hass zu schüren“. An die Zivil- und Bürgerrechtsgesellschaft appellierten sie, auf die Diskriminierung zu reagieren, und an die Regierung, ein Antidiskriminierungsgesetz zu verabschieden, das ohne Ausnahme die Rechte aller Bürger schützt.
Ein ähnliches Gesetz zum Schutz Minderjähriger vor „Propaganda nicht-traditioneller sexueller Beziehungen“ besteht in Russland seit 2013. Volochovitsch bestätigte die Parallelen der weißrussischen Initiative zum russischen Gesetz. (NÖK)