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Angela Ilić zur Lage christlicher Frauen in Slowenien

20. Februar 2019
Slowenien steht im Zentrum des diesjährigen Weltgebetstags der Frauen, der am 1. März stattfindet. Was sind in Slowenien die Erwartungen an dieses Ereignis und was für konkrete Projekte gibt es?
Es herrscht große Aufregung unter den christlichen Frauen in Slowenien, dass ihr kleines Land dieses Jahr im Fokus steht. Mitglieder der zentralen Koordinationsgruppe sowie zahlreiche Kirchengemeinden haben sich seit Monaten auf das Ereignis vorbereitet und eine besondere Liturgie zusammengestellt. Das ausgewählte Motto lautet: „Komm, denn alles ist bereit“, und lädt alle, von Geschlecht und Konfession unabhängig, zum gemeinsamen Gebet für Slowenien ein. Das Motto steht nicht nur für Gastfreundschaft und Offenheit, sondern auch für die Tatsache, dass man nichts mitbringen soll, denn Gottes Liebe ist genug.

Die Organisatoren hoffen, gleichzeitig Aufmerksamkeit auf ausgewählte soziale Probleme in Slowenien zu lenken, die insbesondere Frauen betreffen. Obwohl sich diese drastisch von den existentiellen Herausforderungen von Frauen in den Zielländern der vorigen Jahre (u. a. Suriname und die Philippinen) unterscheiden, sollen häusliche und sexuelle Gewalt, Altersarmut, die Schwierigkeiten alleinerziehender Mütter und sozial gefährdeter Kinder angesprochen werden. Zeitgleich soll der Weltgebetstag Frauen die Möglichkeit bieten, sich Zeit für sich zu nehmen und die eigene Spiritualität zu pflegen.

Zudem freuen sich die Veranstalterinnen auf Verbundenheit im Gebet mit mehreren Millionen Frauen auf der ganzen Welt und auf die Möglichkeit, auf diese Weise Brücken zu bauen und Vorurteile zu neutralisieren. Der Weltgebetstag soll auch die Frauen Sloweniens mit Christinnen aus der näheren Nachbarschaft zusammenbringen, besonders in den ex-jugoslawischen Ländern. Einige von ihnen waren bereits bei den Vorbereitungen engagiert.

Der Weltgebetstag der Frauen wird seit 1999 regelmäßig in Slowenien begangen, als der erste Gottesdienst in Rogaška Slatina stattfand. Seitdem hat sich die Bewegung deutlich verbreitet. Im Mittelpunkt der geplanten Aktivitäten dieses Jahr stehen die ökumenischen Gottesdienste, die am 1. März an sieben Orten in Slowenien stattfinden: in der Hauptstadt Ljubljana, in Maribor, im südkrainischen Velike Lašče, in Koper an der Küste, in Murska Sobota im Übermurgebiet, im untersteirischen Rogaška Slatina an der kroatischen Grenze sowie im nordkrainischen Kamnik. Diese sind strategisch übers ganze Land verstreut. In Ljubljana, wo Katholiken und Evangelische traditionell jährlich abwechselnd als Gastgeber fungieren, wird der Gottesdienst diesmal in der Domkirche St. Nikolaus gehalten.

Neben den zentralen Gottesdiensten sind weitere Aktivitäten geplant. Zwei Tage nach dem Weltgebetstag, am ersten Sonntag im März, wird – unter Beteiligung von Frauen – bei allen evangelisch-lutherischen Gottesdiensten im Lande die Weltgebetstagliturgie zelebriert.

Ausgewählte, bereits laufende Projekte werden durch die Spenden am Weltgebetstag unterstützt: Zu diesen gehören eine SOS-Helpline für sexuelle Gewalt in Ljubljana, eine Initiative für Roma-Frauen im Übermurgebiet, das Diakonieprojekt der evangelisch-lutherischen Kirche, ein Mütterheim der Caritas in Ljubljana sowie das Jugendzentrum der Salesianer Don Bosco in Celje.

Der Weltgebetstag ist eine ökumenische Initiative. Wie gestalten sich die ökumenischen Beziehungen in Slowenien?
Auf der höchsten Ebene, unter den Entscheidungsträgern der größten und traditionellen Kirchen (römisch-katholisch, evangelisch-lutherisch und serbisch-orthodox), kann man allgemein von einer guten ökumenischen Zusammenarbeit sprechen. Wie diese Verhältnisse jedoch an der Basis in der alltäglichen Praxis funktionieren, ist nicht nur regional unterschiedlich, sondern oft auch personenabhängig. Der geografische Schwerpunkt der evangelisch-lutherischen Kirche ist heute im Übermurgebiet – hier sind die konfessionellen Machtverhältnisse anders als zum Beispiel in der Krain.

Die sonst höflichen ökumenischen Beziehungen werden nicht nur, aber besonders bei der Frage der Position der Frauen in der Kirche auf die Probe gestellt. Der Weltgebetstag stellt eigentlich eine der sehr wenigen Gelegenheiten in Slowenien dar, bei der sich Christen über die konfessionellen Grenzen hinaus treffen und zusammenarbeiten können. Aus diesem Grund kann er als Katalysator der Ökumene verstanden werden. Jeder Gottesdienst aus diesem Anlass wird von einem lokalen Team vorbereitet und eine einmalige ökumenische Zusammensetzung zeigen, die jeweils die örtliche Dynamik widerspiegelt. So werden zum Beispiel die Gottesdienste zum Weltgebetstag in der zweitgrößten Stadt, in Maribor, seit Jahren von Teilnehmerinnen aus der römisch-katholischen, evangelisch-lutherischen, serbisch-orthodoxen, adventistischen und Pfingstgemeinde gemeinsam veranstaltet.

Beim Weltgebetstag engagieren sich christliche Frauen international, er gilt als eine der größten Basisbewegungen christlicher Frauen. Wie steht es um das Engagement und die Sichtbarkeit von Frauen in den Kirchen Sloweniens?
Die Mehrheitskonfession, die römisch-katholische Kirche, erlebt zurzeit einen massiven Vertrauensverlust in der slowenischen Gesellschaft. In einer zunehmend säkular orientierten Gesellschaft kämpft sie gegen den empfundenen Verlust christlicher Werte und Traditionen, was aber bei einem Großteil der Bevölkerung offensichtlich keinen Widerhall findet. Dazu kommen noch Finanzskandale aufgrund misslungener (Immobilien-)Investitionen und Misswirtschaft, die den Ruf der Kirche in der jüngsten Zeit stark beschädigt haben.

Das Engagement der katholischen Frauen betreffend gibt es jedoch zahlreiche positive Zeichen und Entwicklungen: So sind sie nicht nur unverzichtbare Mitarbeiterinnen vor allem in der sozialen Arbeit, Bildung und Kultur, sondern immer mehr Frauen (Ordensfrauen wie Laiinnen) wirken in führenden Positionen in kirchlichen Institutionen, die in diesen Bereichen tätig sind. Auch in die theologische Ausbildung von Priestern und Katecheten werden sie zunehmend einbezogen. Die wichtigsten Entscheidungen in der Kirche werden jedoch auch weiterhin weitgehend ohne Frauen getroffen, und sie bleiben von den maßgeblichen Positionen ausgeschlossen. Dies führt in einer gesellschaftlich sonst relativ progressiven Umgebung zu Frustration und zum Interessensverlust an der Kirche. Auch wenn man sich „unter Frauen“ in den Kreisen engagierter Katholikinnen umhört, wird diese Frustration oft angesprochen.

In der evangelisch-lutherischen Kirche im Lande ist die Situation, nicht zuletzt aufgrund der Frauenordination, etwas anders. Die ersten zwei evangelischen Pfarrerinnen wurden am 15. März 1998 ordiniert und zurzeit arbeiten vier Frauen als Pfarrerinnen in der Kirche, die aus insgesamt 14 Kirchengemeinden besteht. Eine von ihnen ist gleichzeitig Militärseelsorgerin – die slowenischen Streitkräfte bestehen übrigens zu 16,5 Prozent aus Frauen. Bisher muss man jedoch noch darauf warten, eine Frau an der Spitze der Kirche begrüßen zu dürfen; und auch unter den Evangelischen – laut Frauenstimmen in der Kirche – könnten die Frauen allgemein ihr Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen noch stärken.

Zahlreiche kirchliche Organisationen widmen sich der Unterstützung gefährdeter Frauen; neben den bereits erwähnten Projekten auch der Evangelische Frauenverein „Evangeličanka“, der seit 2012 unter der Leitung der Pfarrerin Simona Prosič Filip mit dem Ziel arbeitet, Frauen geistlich zu stärken. Der Verein betreut besonders Witwen sowie Mütter mit kleinen Kindern.

Bei den weiteren Minderheitenkirchen – in der Serbischen Orthodoxen Kirche und in den neuprotestantischen Gemeinden – ist die Rolle der Frauen oft nur auf die eigene Familie (oder auf Kinderprogramme) begrenzt und dadurch auch weniger sichtbar.

Alle meine Ansprechpartnerinnen in Vorbereitung auf dieses Interview, unabhängig von ihrer Konfession, sind einig: Trotz der zahlreichen Entwicklungen, die Frauen neue Türen in der Gesellschaft geöffnet haben, gibt es in den Kirchen in Slowenien noch viel zu tun, um Frauen einzubeziehen und sich entfalten zu lassen, so dass sie durch ihre Gaben das kirchliche Leben bereichern können.

Angela Ilić, Dr., Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas an der LMU München.