Andriy Mykhaleyko zur Wiederzulassung der UGKK vor 30 Jahren
05. Dezember 2019
Vor 30 Jahren, im Vorfeld des Treffens von Michail Gorbatschow und Papst Johannes Paul II. im Vatikan, wurde die Ukrainische Griechisch-Katholische Kirche (UGKK) legalisiert, nachdem sie 1946 auf einer Pseudo-Synode in Lviv aufgelöst worden war. Wie hat sich die UGKK seit ihrer Wiederzulassung entwickelt?
In der Zeit um die Wende 1989, als die UGKK ihre Gemeinden wieder registrieren durfte, gab es nur ein paar hundert Priester und wenige Bischöfe, die damals zur Verfügung standen und die Erneuerung mittrugen. Über diese geringe Zahl darf man sich nicht wundern, da in der Zeit der illegalen Existenz zwischen 1946 und 1989 keine kirchlichen Strukturen und Einrichtungen existierten, in denen der Klerus ausgebildet werden konnte. Eine Ausnahme waren die Untergrundpriesterseminare, in denen nur wenige und dazu in einem begrenzten Umfang sich die wichtigsten theologischen und pastoralen Kenntnisse aneignen konnten. So stand die Kirche, vor allem in den 1990er Jahren, vor der Herausforderung, nicht nur ihre nach 1946 aufgelösten Strukturen wiederaufzubauen, sondern auch kompetentes Personal auszubilden. In den ersten Jahren nach der der Wende geschah dies einerseits durch eine verkürzte Priesterausbildung in den wiedereröffneten Priesterseminaren und andererseits durch den Übertritt ehemals russisch-orthodoxer Priester, nicht selten mit ganzen Gemeinden, zur UGKK. Eine wichtige Stütze für die Stärkung der Infrastruktur waren auch die griechisch-katholischen Priester, die in der ukrainischen Diaspora aufgewachsen waren und ihre Ausbildung an den westlichen katholischen Institutionen erhalten hatten. Sie bemühten sich, das kirchliche Leben im Sinne der Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils zu gestalten. Gelegentlich kam es dabei auch zu Spannungen zwischen dieser Gruppe von Geistlichen und den Untergrundpriestern, denen diese Erfahrungen fehlten.
Trotz der anfänglichen Schwierigkeiten aufgrund des Priestermangels und der fehlenden soliden Infrastruktur und der Ausbildungsinstitutionen hat sich die UGKK in den letzten 30 Jahren als eine bedeutende Kirche in der Ukraine etabliert. Mit Blick auf ihre Gemeindezahl gilt sie heutzutage als drittgrößte religiöse Gemeinschaft in der Ukraine nach der Ukrainischen Orthodoxen Kirche (Moskauer Patriarchat) und der Orthodoxen Kirche der Ukraine. Sie weist etwa 3700 Pfarrgemeinden auf, von denen sich mehr als 90 Prozent in der Westukraine befinden. Die Zahl der Priester beläuft sich etwa auf 3000. Diese werden in mehreren diözesanen Priesterseminaren und an der Ukrainischen Katholischen Universität in Lviv ausgebildet. Ein Netzwerk von Gemeinden und Eparchien gibt es nicht nur in, sondern auch außerhalb der Ukraine in Westeuropa, Nord- und Südamerika sowie in Australien (26 Erzdiözesen und Diözesen weltweit, davon 10 in der Ukraine. Hinzu kommen 5 Exarchate und eine Apostolische Visitatur in Italien).
Die Wiederzulassung der UGKK war von den Konflikten mit der Orthodoxen Kirche begleitet. Wie stellt sich heute das Verhältnis der UGKK zu den orthodoxen Kirchen in der Ukraine dar?
In der Tat gab es in den 1990er Jahren mehrere zwischenkonfessionelle Konflikte, vor allem zwischen griechisch-katholischen und orthodoxen Gemeinden. Deren primäre Ursache lag darin, dass die UGKK ihr nach 1946 konfisziertes Eigentum, das überwiegend dem Ukrainischen Exarchat der Russischen Orthodoxen Kirche übergeben worden war, zurückforderte. Die Übernahme der Kirchen war nicht immer frei von Gewaltanwendung. Nicht selten kam es zur Spaltung einer Gemeinde in eine griechisch-katholische und eine orthodoxe. Trotz der Bemühungen des Apostolischen Stuhls, der Vertreter der orthodoxen und griechisch-katholischen Hierarchie, einen Modus für eine friedliche Lösung der Konfliktsituationen zu finden, scheiterten diese in den meisten Fällen.
Es verwundert daher nicht, dass die Lage in der Westukraine nicht nur ein Problem für die ukrainische konfessionelle Landschaft darstellte, sondern zu einem generellen ökumenischen Problem wurde. Darunter litten vor allem die ökumenischen Beziehungen zwischen der katholischen und den orthodoxen Kirchen. Die Arbeit der Internationalen orthodox-katholischen Dialogkommission kam für mehrere Jahre zum Erliegen. Die Krise in der Westukraine stellte die bilateralen Beziehungen zwischen dem Vatikan und der Russischen Orthodoxen Kirche auf die Probe. Das Patriarchat Moskau fühlte sich im Westen der Ukraine bedroht, beklagte mit Blick auf das Erstarken der Unierten aufs Schärfste den „Proselytismus“ der katholischen Kirche im orthodoxen Einflussbereich und interpretierte die katholische Verhaltensweise als einen Eingriff in die Substanz der orthodoxen Kirchen. Die römische Förderung der Unierten in Mittel- und Osteuropa stand ihrer Meinung nach im Widerspruch zu den bisher zwischen den Orthodoxen und Katholiken erreichten Übereinkünften.
Gegenwärtig sieht die Situation anderes aus: Die UGKK versucht zu den in der Ukraine bestehenden orthodoxen Kirchen partnerschaftliche Beziehungen aufzubauen. Vor allem die seit 2014 ausgebrochene politische Krise trägt dazu bei, dass man auch auf dem religiösen Feld die Kräfte mobilisieren will. Dies gilt primär für den Bereich der sozialen Arbeit und der Seelsorge im ukrainischen Militär. Freilich gestalteten sich aus nationalpolitischen Gründen die Beziehungen der UGKK zur neu errichteten Orthodoxen Kirche der Ukraine leichter und besser als zur Ukrainischen Orthodoxen Kirche (Moskauer Patriarchat), die ein Teil der ROK bleibt.
Vor welchen zukünftigen Herausforderungen steht die UGKK?
Ich sehe vor allem zwei Problemfelder, die gegenwärtig und in der nächsten Zukunft die UGKK beschäftigen werden. Das erste betrifft die weiterhin angespannte politische Lage im Land. Der Konflikt im Osten der Ukraine und das dadurch angespannte Verhältnis zu Russland werden zweifelsohne von der UGKK weiterhin thematisiert werden müssen. Es geht dabei nicht nur um die Strukturen der UGKK in den vom Konflikt betroffenen Regionen, sondern auch um das Problem der Binnenflüchtlinge, denen kirchlicherseits durch die Förderung der sozialen Einrichtungen geholfen werden muss. Das zweite Feld hat mit der Massenemigration von Ukrainer/innen nach Westeuropa und Amerika zu tun. Viele, vor allem junge Menschen, verlassen das Land, weil sie in der vom Konflikt geplagten Ukraine und aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Lage für sich keine Perspektive sehen. Diese Menschen nicht zu verlieren, sondern sie pastoral zu betreuen, ist eine wichtige zukünftige Aufgabe. Es kommt nicht von ungefähr, dass die nächste große Versammlung der UGKK im Jahr 2020 dem Thema „Emigration und globale Einheit der UGKK“ gewidmet sein wird.
PD Dr. Andriy Mykhaleyko, Dozent für Kirchengeschichte an der Ukrainischen Katholischen Universität in Lviv und an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt.
Bild: St.-Georgs-Kathedrale in Lviv. (© Klymenkoy, CC BY-SA 4.0)
In der Zeit um die Wende 1989, als die UGKK ihre Gemeinden wieder registrieren durfte, gab es nur ein paar hundert Priester und wenige Bischöfe, die damals zur Verfügung standen und die Erneuerung mittrugen. Über diese geringe Zahl darf man sich nicht wundern, da in der Zeit der illegalen Existenz zwischen 1946 und 1989 keine kirchlichen Strukturen und Einrichtungen existierten, in denen der Klerus ausgebildet werden konnte. Eine Ausnahme waren die Untergrundpriesterseminare, in denen nur wenige und dazu in einem begrenzten Umfang sich die wichtigsten theologischen und pastoralen Kenntnisse aneignen konnten. So stand die Kirche, vor allem in den 1990er Jahren, vor der Herausforderung, nicht nur ihre nach 1946 aufgelösten Strukturen wiederaufzubauen, sondern auch kompetentes Personal auszubilden. In den ersten Jahren nach der der Wende geschah dies einerseits durch eine verkürzte Priesterausbildung in den wiedereröffneten Priesterseminaren und andererseits durch den Übertritt ehemals russisch-orthodoxer Priester, nicht selten mit ganzen Gemeinden, zur UGKK. Eine wichtige Stütze für die Stärkung der Infrastruktur waren auch die griechisch-katholischen Priester, die in der ukrainischen Diaspora aufgewachsen waren und ihre Ausbildung an den westlichen katholischen Institutionen erhalten hatten. Sie bemühten sich, das kirchliche Leben im Sinne der Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils zu gestalten. Gelegentlich kam es dabei auch zu Spannungen zwischen dieser Gruppe von Geistlichen und den Untergrundpriestern, denen diese Erfahrungen fehlten.
Trotz der anfänglichen Schwierigkeiten aufgrund des Priestermangels und der fehlenden soliden Infrastruktur und der Ausbildungsinstitutionen hat sich die UGKK in den letzten 30 Jahren als eine bedeutende Kirche in der Ukraine etabliert. Mit Blick auf ihre Gemeindezahl gilt sie heutzutage als drittgrößte religiöse Gemeinschaft in der Ukraine nach der Ukrainischen Orthodoxen Kirche (Moskauer Patriarchat) und der Orthodoxen Kirche der Ukraine. Sie weist etwa 3700 Pfarrgemeinden auf, von denen sich mehr als 90 Prozent in der Westukraine befinden. Die Zahl der Priester beläuft sich etwa auf 3000. Diese werden in mehreren diözesanen Priesterseminaren und an der Ukrainischen Katholischen Universität in Lviv ausgebildet. Ein Netzwerk von Gemeinden und Eparchien gibt es nicht nur in, sondern auch außerhalb der Ukraine in Westeuropa, Nord- und Südamerika sowie in Australien (26 Erzdiözesen und Diözesen weltweit, davon 10 in der Ukraine. Hinzu kommen 5 Exarchate und eine Apostolische Visitatur in Italien).
Die Wiederzulassung der UGKK war von den Konflikten mit der Orthodoxen Kirche begleitet. Wie stellt sich heute das Verhältnis der UGKK zu den orthodoxen Kirchen in der Ukraine dar?
In der Tat gab es in den 1990er Jahren mehrere zwischenkonfessionelle Konflikte, vor allem zwischen griechisch-katholischen und orthodoxen Gemeinden. Deren primäre Ursache lag darin, dass die UGKK ihr nach 1946 konfisziertes Eigentum, das überwiegend dem Ukrainischen Exarchat der Russischen Orthodoxen Kirche übergeben worden war, zurückforderte. Die Übernahme der Kirchen war nicht immer frei von Gewaltanwendung. Nicht selten kam es zur Spaltung einer Gemeinde in eine griechisch-katholische und eine orthodoxe. Trotz der Bemühungen des Apostolischen Stuhls, der Vertreter der orthodoxen und griechisch-katholischen Hierarchie, einen Modus für eine friedliche Lösung der Konfliktsituationen zu finden, scheiterten diese in den meisten Fällen.
Es verwundert daher nicht, dass die Lage in der Westukraine nicht nur ein Problem für die ukrainische konfessionelle Landschaft darstellte, sondern zu einem generellen ökumenischen Problem wurde. Darunter litten vor allem die ökumenischen Beziehungen zwischen der katholischen und den orthodoxen Kirchen. Die Arbeit der Internationalen orthodox-katholischen Dialogkommission kam für mehrere Jahre zum Erliegen. Die Krise in der Westukraine stellte die bilateralen Beziehungen zwischen dem Vatikan und der Russischen Orthodoxen Kirche auf die Probe. Das Patriarchat Moskau fühlte sich im Westen der Ukraine bedroht, beklagte mit Blick auf das Erstarken der Unierten aufs Schärfste den „Proselytismus“ der katholischen Kirche im orthodoxen Einflussbereich und interpretierte die katholische Verhaltensweise als einen Eingriff in die Substanz der orthodoxen Kirchen. Die römische Förderung der Unierten in Mittel- und Osteuropa stand ihrer Meinung nach im Widerspruch zu den bisher zwischen den Orthodoxen und Katholiken erreichten Übereinkünften.
Gegenwärtig sieht die Situation anderes aus: Die UGKK versucht zu den in der Ukraine bestehenden orthodoxen Kirchen partnerschaftliche Beziehungen aufzubauen. Vor allem die seit 2014 ausgebrochene politische Krise trägt dazu bei, dass man auch auf dem religiösen Feld die Kräfte mobilisieren will. Dies gilt primär für den Bereich der sozialen Arbeit und der Seelsorge im ukrainischen Militär. Freilich gestalteten sich aus nationalpolitischen Gründen die Beziehungen der UGKK zur neu errichteten Orthodoxen Kirche der Ukraine leichter und besser als zur Ukrainischen Orthodoxen Kirche (Moskauer Patriarchat), die ein Teil der ROK bleibt.
Vor welchen zukünftigen Herausforderungen steht die UGKK?
Ich sehe vor allem zwei Problemfelder, die gegenwärtig und in der nächsten Zukunft die UGKK beschäftigen werden. Das erste betrifft die weiterhin angespannte politische Lage im Land. Der Konflikt im Osten der Ukraine und das dadurch angespannte Verhältnis zu Russland werden zweifelsohne von der UGKK weiterhin thematisiert werden müssen. Es geht dabei nicht nur um die Strukturen der UGKK in den vom Konflikt betroffenen Regionen, sondern auch um das Problem der Binnenflüchtlinge, denen kirchlicherseits durch die Förderung der sozialen Einrichtungen geholfen werden muss. Das zweite Feld hat mit der Massenemigration von Ukrainer/innen nach Westeuropa und Amerika zu tun. Viele, vor allem junge Menschen, verlassen das Land, weil sie in der vom Konflikt geplagten Ukraine und aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Lage für sich keine Perspektive sehen. Diese Menschen nicht zu verlieren, sondern sie pastoral zu betreuen, ist eine wichtige zukünftige Aufgabe. Es kommt nicht von ungefähr, dass die nächste große Versammlung der UGKK im Jahr 2020 dem Thema „Emigration und globale Einheit der UGKK“ gewidmet sein wird.
PD Dr. Andriy Mykhaleyko, Dozent für Kirchengeschichte an der Ukrainischen Katholischen Universität in Lviv und an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt.
Bild: St.-Georgs-Kathedrale in Lviv. (© Klymenkoy, CC BY-SA 4.0)