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Stefan Kube zum ersten hochrangigen Besuch aus dem Vatikan in Međugorje

31. Juli 2019
Anfang August werden erstmals hochrangige Vertreter aus dem Vatikan Međugorje besuchen. Was bedeutet das für die Stellung des Marienwallfahrtsorts?
Vom 1. bis 6. August findet in Međugorje wie jeden Sommer ein internationales Jugendfestival statt; zu dessen 30. Ausgabe reisen auch hochrangige Vertreter aus dem Vatikan an. So ist vorgesehen, dass Erzbischof Rino Fisichella, der Präsident des Päpstlichen Rates für die Neuevangelisierung, die Abschlussmesse leiten soll. Das ist insofern ein Novum, als bis in den Mai dieses Jahres keine offiziellen katholischen Pilgerfahrten nach Međugorje erlaubt waren, auch wenn zahlreiche Gläubige und Geistliche den umstrittenen Wallfahrtsort in den letzten Jahrzenten besucht haben.

Denn zwei in den 1980er Jahren vom Bischof von Mostar, dem Ortsbischof, eingesetzte Untersuchungskommissionen sowie eine spätere, von der Bischofskonferenz Jugoslawiens ins Leben gerufene Kommission kamen zu der Einschätzung, dass es sich bei den angeblichen Marienerscheinungen in Međugorje nicht um übernatürlich Ereignisse handle. 1991 erklärte die Bischofskonferenz Jugoslawiens, dass die Übernatürlichkeit der Ereignisse nicht bestätigt werden könne, riet aber angesichts der zahlreichen Pilger zu einer angemessenen pastoralen Betreuung der Gläubigen. Dieser Linie schloss sich auch der Vatikan an: So waren offizielle Wallfahrten von Gemeinden, Bistümern und katholischen Einrichtungen nicht erlaubt, lediglich private Reisen waren gestattet, sofern sie nicht mit der Übernatürlichkeit der Ereignisse begründet wurden. Aufgrund der immer weiter anwachsenden Pilgerströme setzte Papst Benedikt XVI. 2010 eine weitere Untersuchungskommission zu Međugorje unter der Leitung von Kardinal Camillo Ruini ein. Vier Jahre später schloss die Ruini-Kommission ihre Arbeit ab, ihre Ergebnisse wurden jedoch nicht bekannt. Anfang 2017 ernannte Papst Franziskus den polnischen Erzbischof von Warschau-Praga, Henryk Hoser, zum Sondergesandten für Međugorje, um mehr über das dortige Pilgerwesen zu erfahren. Nach dem altersbedingten Rücktritt von Erzbischof Hoser wurde er von Papst Franziskus zudem zum Apostolischen Administrator für Međugorje bestimmt, um eine kontinuierliche Begleitung der Pfarrei und der Pilger sicherzustellen.

Hoser selbst vertrat dabei die Einschätzung, dass die ersten der seit 1981 berichteten Erscheinungen als echt anerkannt werden könnten. Die beiden Missionen von Erzbischof Hoser dürften zu einer vatikanischen Neuausrichtung hinsichtlich Međugorjes beigetragen haben: Im Mai 2019 verkündete der Vatikan die Erlaubnis zu offiziellen Walfallfahrten in den herzegowinischen Ort, betonte aber dabei, dass dies nicht als Anerkennung einer Übernatürlichkeit der dortigen Ereignisse zu verstehen sei. Die letzten Schritte deuten somit eine Kompromisslösung an: Es scheint so, als ob der Vatikan bereit ist, die frühen Erscheinungen aus dem Jahr 1981 als übernatürlich anzuerkennen, während dies für die weiteren, bis heute andauernden Visionen nicht gilt.

Wie hat sich Međugorje zu einem internationalen Pilgerort entwickelt?
Am 24. Juni 1981 berichteten sechs Kinder, vier Mädchen und zwei Jungen, ihnen sei in der Nähe des Ortes Međugorje auf dem Crnica-Hügel die Jungfrau Maria erschienen und sie habe ihnen Botschaften aufgetragen. Die Nachricht von den angeblichen Erscheinungen stieß sowohl in der Pfarrei von Međugorje als auch in der weiteren Umgebung rasch auf großes Interesse. Die sozialistischen Machthaber kritisierten die Ereignisse in Međugorje dagegen als „klerikal-nationalistische“ Herausforderung. Der damalige Gemeindepfarrer von Međugorje, der Franziskaner Jozo Zovko, wurde verhaftet und in einem Gerichtsverfahren zu dreieinhalb Jahren Gefängnis (später auf eineinhalb Jahren reduziert) wegen „antisozialistischer Propaganda“ verurteilt. Die restriktive staatliche Reaktion konnte die Dynamik der Verehrung allerdings kaum mehr aufhalten; innerhalb weniger Wochen und Monate stiegen die Pilgerströme nach Međugorje rasant an. Den dritten Jahrestag der „Erscheinungen“ im Jahr 1984 feierten laut Presseberichten bereits 25‘000 Pilger.

Bereits in den 1980er Jahren entstanden weltweit Gebets- und Unterstützungskreise für Međugorje. Angesichts der „Erfolge“ des Wallfahrtsorts wichen die jugoslawischen Behörden schnell von ihrem anfänglichen scharfen Konfrontationskurs ab und versuchten stattdessen, das Phänomen zu ignorieren. Angesichts der dramatischen wirtschaftlichen Lage und einer galoppierenden Inflation unterstützte das Regime ab Mitte der 1980er Jahre gar den Pilgertourismus nach Međugorje, um Devisen ins Land zu bringen. So beteiligte sich der Staat am Aufbau einer besseren Infrastruktur für die Pilger, und die großen jugoslawischen Touristenagenturen machten Werbung für Međugorje. Erst mit dem Ausbruch der Kriege in Kroatien und Bosnien-Herzegowina 1991/92 kam es zu einem vorübergehenden Rückgang der Pilgerzahlen. Heutzutage sollen jährlich rund 2,5 Mio. Pilger Međugorje besuchen.

Stefan Kube, Chefredakteur der Zeitschrift „Religion & Gesellschaft in Ost und West“

Bild: Marienstatue in Podbrdo, der Fuß des Bergs, an dem die ersten angeblichen Marienerscheinungen in Međugorje stattgefunden haben sollen. (Wikimedia Commons: CJ)