Kosovo: Auseinandersetzung um Besuch des serbischen Patriarchen

12. Januar 2023

Am 26. Dezember 2022 wurde dem serbischen Patriarchen Porfirije am Grenzübergang beim Dorf Merdare die Einreise nach Kosovo verweigert. Geplant war, dass das Oberhaupt der Serbischen Orthodoxen Kirche (SOK) vom 26. bis 28. Dezember den Patriarchensitz im Kloster von Peć, das Kloster Visoki Dečani sowie Gläubige in Orahovac und Gračanica besucht. Laut Erklärung der SOK habe die kosovarische Regierung dem Patriarchen am 25. Dezember ein Einreiseverbot über die Weihnachtstage mitgeteilt. Der Patriarch trat die Reise dennoch an und wurde daraufhin am Grenzübergang zurückgeschickt. Das kosovarische Außenministerium betonte, dass es sich nicht um ein generelles Einreiseverbot handle. Der Patriarch sei jedoch aufgefordert worden, sich „vom Handeln von Mitgliedern der Kirche, die kriminellen Gruppen im Nordkosovo Unterstützung leisten und die als verantwortlich für Barrikaden angesehen werden“, zu distanzieren.

Die verweigerte Einreise des Patriarchen reiht sich in die jüngsten Spannungen zwischen Serbien und Kosovo ein. Im Norden Kosovos blockierten dort lebende Serben wochenlang Straßen, Auslöser war die Verhaftung eines früheren Polizisten. Allerdings war die Lage schon zuvor seit Monaten gespannt, unter anderem aufgrund eines Streits um Autokennzeichen. Am 29. Dezember kündigte der serbische Präsident Aleksandar Vučić den Abbau der Barrikaden an, da die Forderungen der Serben angeblich erfüllt wurden. Auf Bitten des Ministers für Rückkehr und Gemeinden, Nenad Rašić, erlaubte umgekehrt der kosovarische Ministerpräsident Albin Kurti am 5. Januar auch die Einreise des serbischen Patriarchen. Die SOK erklärte daraufhin, der Patriarch werde plangemäß den weihnachtlichen Mitternachtsgottesdienst in der Sveti Sava-Kathedrale in Belgrad feiern. Weiter hieß es, Porfirije werde Peć und die Geistlichen und Gläubigen in der Eparchie Raška und Prizren „entsprechend seinem Programm und Ermessen“ besuchen, die keinen „Bezug zu einem politischen Kontext oder einer Persönlichkeit des politischen Lebens“ haben.

Patriarch Porfirije hatte die Nachricht über das Einreiseverbot am 25. Dezember „mit Bestürzung“ aufgenommen, aber laut einer Mitteilung seines Kabinetts erwartet, dass „diese höchst diskriminierende Entscheidung außer Kraft gesetzt wird“. Aus Sicht der Menschenrechte und Religionsfreiheit sei der Entscheid „unverständlich und absolut inakzeptabel“, hieß es nach der verweigerten Einreise in einem weiteren Statement. Darin appellierte Porfirije an die Machthaber in Kosovo, „im Einklang mit ihrer Verkündigung“ von Menschenrechten und Freiheiten auch tatsächlich zu zeigen, dass diese Rechte und Freiheiten dem „serbischen Volk und seiner Kirche“ nicht vorenthalten würden. Die serbische Bevölkerung in Kosovo rief er auf, nicht zuzulassen, dass „diese Provokation ein Vorwand zur weiteren Bedrohung unseres Volkes und seiner Heiligtümer wird“.

Am 27. Dezember traf Patriarch Porfirije den serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić, um den Vorfall zu besprechen. An der folgenden Pressekonferenz verwies Profirije auf die Situation in Kosovo, die „wirklich sehr ernst“ sei, da die „Spannungen einen Punkt erreicht haben, von wo aus sich Wege eröffnen können, die natürlich niemand von uns will“. Diese „Wege“ würden weder Frieden noch ein Gleichgewicht bringen. Er betonte, dass der Vorfall besonders für die Gläubigen und Geistlichen in Kosovo traurig sei, und er beabsichtigt habe, wie immer nicht nur für die „leidenden Menschen in Kosovo“, sondern für alle Menschen der Welt, für Frieden in der Welt und vor allem für das Zusammenleben und den Frieden zwischen Albanern und Serben zu beten. Mit Blick auf das jahrhundertelange Zusammenleben in Kosovo betonte Porfirije, dass ein gemeinsames Leben möglich sei, wenn der Wille dazu da sei.

Die Bedeutung des Patriarchats von Peć verglich der Patriarch mit der Bedeutung des Vatikans für die römisch-katholische Kirche. Würde dem Papst das Betreten des Vatikans verweigert, würde sicherlich die ganze Welt dagegen protestieren, erklärte er. Den Präsidenten und die serbische Regierung rief er auf, alles dafür zu tun, dass der Friede gewahrt wird. Präsident Vučić bezeichnete das Einreiseverbot als „große Schande“. Der internationalen Gemeinschaft warf er vor, dass sie Konflikte und die Tötung von Serben wünsche.

Bischof Teodosije (Šibalić) von Raška-Prizren betonte in einem Neujahrs-Interview angesichts der zurzeit schlechten interethnischen Beziehungen die Wichtigkeit des Dialogs, mit dem ein „Weg nach vorn“ gefunden und Probleme gelöst werden könnten, Gewaltanwendung und Drohungen hingegen führten nur weiter in Konflikte. Seine Eparchie bemühe sich um gute Beziehungen zu allen Glaubensgemeinschaften in Kosovo, zugleich sei es wichtig, dass Vertreter von Religionsgemeinschaften nicht politischen Narrativen und Konflikten folgten, sondern zu Frieden und gegenseitigem Respekt aufriefen. Laut Teodosije hat die SOK seit Jahren keine negativen Äußerungen der Islamischen Gemeinschaft erlebt, allerdings gebe es wenig Austausch zwischen Nachbarn und Bürgerinnen auf lokaler Ebene „ohne jeglichen politischen oder nationalen Einfluss“. Der Islam und das Christentum hätten viel gemeinsam und „gerade durch das Pflegen dessen, was uns als Menschen gemeinsam ist, können wir uns zwischenmenschlich annähern“ und dazu beitragen, dass alle Menschen in Kosovo friedlich leben könnten.

In einem Statement bezeichnete die Eparchie Raška-Prizren das Einreiseverbot ebenfalls als „diskriminierend“ und „Gipfel der Arroganz“. Die kosovarische Regierung ziele mit ihrer Rhetorik auf eine „Kriminalisierung des ganzen serbischen Volks“ und sogar der SOK. Während der Amtszeit der jetzigen kosovarischen Regierung hätten sich die interethnischen Beziehungen verschlechtert, und das Verhältnis zu den kosovarischen Institutionen, an denen die SOK „jahrelang im Geist der Zusammenarbeit und des Dialogs gearbeitet hat“, sei nie schlechter gewesen. Die „Rhetorik des offenen Hasses“ gegen alles Serbische und Orthodoxe „droht uns alle 20 Jahre zurückzuwerfen“. Die Eparchie rief alle dazu auf, sich verantwortungsvoll zu verhalten und den Frieden zu wahren. Insbesondere von den internationalen Vertretern erwartet sie, alles zu tun, um eine Eskalation zu verhindern und das zu beenden, was die Serben in Kosovo „zurecht als offene Verfolgung erleben“. (NÖK)