Montenegro: Streit um Eigentümerschaft des Klosters Cetinje

23. September 2021

Um die Eigentums- und Nutzungsrechte des Klosters Cetinje ist erneut ein Konflikt entbrannt. Am 13. September wies die montenegrinische Regierung die Behörde für Kataster und staatlichen Besitz an, umgehend den Staat als Eigentümer des Klosters anstatt der Gemeinde Cetinje in die Immobilienliste einzutragen. Damit geht der Besitz des Klosters von der Gemeinde Cetinje an den Staat über. Die Katasterbehörde erhielt außerdem den Auftrag, eine Anmerkung zum Verbot der Veräußerung und Belastung des Klosters bis zum Abschluss des Änderungsverfahrens hinzuzufügen.

Grund für die Überschreibung ist ein Antrag aus der Bevölkerung an die Stadtversammlung von Cetinje, das Kloster an die Montenegrinische Orthodoxe Kirche (MOK) „zurückzugeben“. Das Kloster in der alten Königs- und Hauptstadt ist der Sitz der Metropolie von Montenegro und den Küstenländern der Serbischen Orthodoxen Kirche (SOK), zu der sich die große Mehrheit der Bevölkerung bekennt. Die MOK hat sich 1993 von der SOK abgespalten, ist aber ein Elitenprojekt geblieben. Den stärksten Rückhalt hat sie in Cetinje, wo auch ihr Oberhaupt residiert, und Umgebung, von der Weltorthodoxie wird sie nicht anerkannt.

Die Ausschussmitglieder der Stadtversammlung diskutierten am 14. September die Initiative, die sie grundsätzlich unterstützen. Sie schlugen einige Beschlüsse vor, über die noch abgestimmt werden muss. So wollen sie allen orthodoxen Gläubigen eine gleichberechtigte Nutzung des Klosters sowie allen orthodoxen Glaubensgemeinschaften die gleichberechtigte Durchführung von Gottesdiensten ermöglichen. Zudem verurteilten sie entschieden das Vorgehen der Regierung und forderten diese auf, die ihrer Ansicht nach rechtswidrigen Handlungen rückgängig zu machen, denn das Kloster befinde sich im „unbestrittenen Besitz“ der Gemeinde Cetinje. Die Stadtversammlung verbot auch jegliche Renovationen, Bauarbeiten und Veränderungen auf dem Areal des Klosters ohne Einwilligung der Gemeinde. Außerdem riefen sie die zuständigen Behörden auf, das kulturelle Erbe „vor der andauernden Verwüstung durch die Metropolie Montenegro“ der SOK zu schützen. Cetinje wird von einer Koalition unter Führung der Demokratischen Partei der Sozialisten (DPS) von Präsident Milo Đukanović regiert; auf nationaler Ebene befindet sich auf die DPS in der Opposition.

Das Kloster Cetinje wurde in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts von Fürst Ivan Crnojević errichtet. Die SOK besaß das Land und das Kloster vor dem Zweiten Weltkrieg, danach überschrieb die kommunistische Regierung das Eigentum der Gemeinde. Später wurde die SOK als Nutzerin registriert. Als die Behörden 2005 erneut die Gemeinde als Besitzerin registrierten, stellte die SOK einen gerichtlichen Antrag, dass ihr die Eigentümerschaft zurückgegeben werde. Heute verwaltet die Metropolie das Kloster und hat als einzige Religionsgemeinschaft das Recht, es zu nutzen und Gottesdienste durchzuführen. Kurz nach dem Regierungsbeschluss zur Übertragung des Eigentums wies die Kataster- und Eigentumsbehörde von Cetinje einen Antrag der Metropolie ab, die Gemeinde aus dem Eigentümerverzeichnis des Klosters zu löschen. Der Antrag zur „Korrektur des falsch eigetragenen Eigentumsrechts“ sei „unbegründet“.

Die Fortsetzung der lang andauernden Streitigkeiten um das Kloster von Montenegro folgte den Unruhen bei der Inthronisation des neuen Metropoliten der SOK in Cetinje. Aufgrund von Protesten mussten die SOK-Vertreter per Helikopter eingeflogen und von der Polizei eskortiert werden, ausländische Gäste konnten nicht teilnehmen. Bei den Ausschreitungen wurden sowohl Protestierende als auch Polizisten verletzt. Die Demonstranten empfanden die Inthronisation des „serbischen“ Geistlichen – Metropolit Joanikije (Mićović) ist gebürtiger Montenegriner – in der alten Hauptstadt als Affront. Schon seit längerem ist das Verhältnis zwischen Staat und Kirche sowie den verschiedenen orthodoxen Kirchen und ihren Anhängern angespannt. (NÖK)

Emil Hilton Saggau zum Kirchenkonflikt in Montenegro
Interview emil saggau montenegroDer Entwurf für ein neues Religionsgesetz hat in Montenegro zu verstärkten Spannungen zwischen der Serbischen Orthodoxen Kirche und dem Staat geführt. Emil Hilton Saggau erläutert die Position der nicht anerkannten Montenegrinischen Orthodoxen Kirche in diesem Konflikt.

Stefan Kube zum Zusammenleben der Religionsgemeinschaften und ihrem Verhältnis zum Staat in Montenegro
Interview stefan kube montenegroIn Montenegro wird ein neues Religionsgesetz vorbereitet, das von der im Land dominierenden Serbischen Orthodoxen Kirche (SOK) kritisiert wird. Zur Stellung der SOK, ihrem Verhältnis zum Staat und zu den anderen Religionsgemeinschaften äußert sich Stefan Kube.