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Montenegro: Patriarch kritisiert montenegrinische Srebrenica-Resolution

01. Juli 2021

Der serbische Patriarch Porfirije hat die vom montenegrinischen Parlament verabschiedete Resolution zu Srebrenica kritisiert. Diese polarisiere und teile die Bevölkerung. Mit ihrer Zustimmung zur Vorlage hätten sich die betreffenden Parlamentarier „in den Dienst der Kräfte dieser Welt gestellt, die nur und ausschließlich dank Polarisierungen bestehen“. Das Parlament hatte die Resolution am 17. Juni verabschiedet, mit der der Genozid in Srebrenica 1995 während des Bosnienkriegs anerkannt und verurteilt sowie seine Leugnung und Verharmlosung verboten werden; am 11. Juli soll künftig der Opfer gedacht werden.

In pro-serbischen Kreisen in Montenegro sowie teilweise in Serbien wurde die Resolution als kollektive Verurteilung des serbischen Volks verstanden und löste entsprechend Kritik aus. Porfirije warf der Regierung in Montenegro zudem vor, den verstorbenen Metropoliten Amfilohije (Radović) von Montenegro verraten zu haben, obwohl sie „auf den Flügeln und mit der Kraft“ des Metropoliten „an die Stelle gekommen sind, um Brücken zu bauen, Klingen abzustumpfen, Menschen einander näherzubringen“. Im Sommer 2020 war es bei den Parlamentswahlen in Montenegro nach fast 30 Jahren zu einem Machtwechsel gekommen. Die Demokratische Partei der Sozialisten (DPS) des Präsidenten Milo Đukanović wurde dabei von einer heterogenen Koalition mit einer hauchdünnen Mehrheit im Parlament (41 von 81 Sitzen) abgelöst. Zwischen der DPS-Regierung und der Serbischen Orthodoxen Kirche (SOK), der größten Glaubensgemeinschaft im Land, war die Beziehung gespannt, da die SOK ihren Besitz durch ein neues Religionsgesetz bedroht sah, gegen das sie Massenproteste organisiert hatte. Die neue Koalition hatte bereits während des Wahlkampfs versprochen, das Gesetz im Fall eines Siegs zu ändern, und ihre Exponenten pflegten gute Beziehungen zu Amfilohije und der SOK. Nach der Wahl vermittelte Amfilohije sogar zwischen den Parteien der heutigen Regierungskoalition.

Die Verabschiedung der Srebrenica-Resolution hat in Montenegro eine Regierungskrise ausgelöst. Für die Resolution, die von der Opposition eingereicht worden war, stimmten die 40 oppositionellen Parlamentarier, aber auch 15 der Regierungskoalition. Diese stimmten der Resolution zu, nachdem ihr Änderungsantrag angenommen worden war, dass die Schuld für die Gräuel in den Kriegen der 1990er Jahre nicht einem Volk zugeschrieben werden könne, sondern nur Individuen. Möglich wurde die Verabschiedung durch die Rückkehr der DPS-Abgeordneten ins Parlament, das sie bis anhin boykottiert hatten. Dagegen stimmten die Vertreter der Demokratischen Front (DF), die den Genozid nicht anerkennen. Sie verlangten, das Wort Genozid zu streichen, und schlugen vor, alle Gräueltaten in Bosnien-Herzegowina und ganz Ex-Jugoslawien zu verurteilen, da sonst ein Unterschied zwischen Opfern gemacht werde. Außerdem werde so ausschließlich den Serben die Schuld an den Verbrechen zugeschrieben. Ihre Änderungsanträge wurden jedoch abgelehnt.

An der gleichen Sitzung setzte das Parlament den Minister für Justiz, Menschen- und Minderheitenrechte, Vladimir Leposavić, ab, der zuvor als Rechtsanwalt für die Metropolie Montenegro gearbeitet hatte. Dieser hatte vor rund drei Monaten im Parlament bestritten, dass es sich beim Massaker von Srebrenica um einen Genozid handelt. Seine Absetzung hatte Ministerpräsident Zdravko Krivokapić beantragt, angenommen wurde sie wiederum mit den Stimmen der Opposition und von vier Vertretern einer Partei, die Teil der Regierungskoalition ist. Daraufhin verkündete die DF, das Parlament künftig zu boykottieren, und verlangte ein neues Regierungsabkommen mit Krivokapić und den anderen Koalitionsparteien. Die Abstimmungen seien ein „Betrug an den Wählern“ und eine inoffizielle Koalition mit der DPS. Die DF-Leiter gingen sogar so weit, eine neue Regierung ohne Krivokapić oder vorgezogene Neuwahlen zu fordern. Da nun die DPS und die DF das Parlament boykottieren, ist dieses blockiert, da ihm das nötige Quorum für Entscheidungen fehlt. (NÖK)