Bulgarien: Hl. Synod distanziert sich in der Ukraine-Frage vom Metropoliten von Vidin

20. Juni 2019

Nachdem Briefe des Metropoliten von Vidin, Daniil (Nikolov), kürzlich publik geworden sind, scheint der Riss im Hl. Synod der Bulgarischen Orthodoxen Kirche (BOK) bezüglich der ukrainischen Angelegenheiten größer geworden zu sein. Diese hatte er am 23. Mai auf eigene Initiative an die Patriarchate von Alexandrien, Jerusalem und Bukarest, sowie an die orthodoxen Kirchen von Zypern, Griechenland und Albanien verschickt. Schon am 7. März hatte der junge Metropolit den Brief an die Mitglieder des bulgarischen Synods gesandt. Doch erst durch Reaktionen in griechischen Medien erfuhren die bulgarischen Gläubigen von diesen Vorgängen. Möglicherweise hat Daniil den Brief mit Absicht am Vorabend der auf Mitte Juni angesetzten synodalen Tagung an die oben erwähnten Kirchen geschickt, damit deren Reaktion eine Stellungnahme der Kirchenleitung der BOK erzwingt. Anlass zu solchen Spekulationen gibt die traditionelle Haltung des bulgarischen Synods in der ukrainischen Frage – nämlich keine Stellung zu beziehen und abzuwarten. Auch Daniils Besuch in Russland (vom 27. Mai bis 3. Juni) und insbesondere sein Treffen mit dem Leiter des Außenamtes des Moskauer Patriarchats, Metropolit Ilarion (Alfejev), wird von einigen als ein Versuch gesehen, den bulgarischen Synod unter Druck zu setzen.

In seinem Brief setzt sich der Metropolit von Vidin sehr kritisch mit den Handlungen des Patriarchen von Konstantinopel, Bartholomaios, auseinander und sieht darin eine große Gefahr für die orthodoxe Ekklesiologie. Bartholomaios wirft er eine gewaltsame Aneignung von Macht vor, was eine auch für die anderen autokephalen Kirchen gefährliche Tendenz der Relativierung ihres Status’ und der Einmischung des Ökumenischen Patriarchats in ihre internen Angelegenheiten bedeuten könnte. Dies würde insbesondere die BOK betreffen und stelle somit sogar die nationale Sicherheit und Souveränität des bulgarischen Staates in Frage. Weiter droht Daniil dem bulgarischen Synod, dass eine ausbleibende Ablehnung des Tomos zur Verleihung der Autokephalie an die Orthodoxe Kirche der Ukraine einen Verrat an der eigenen Kirche und am Kirchenrecht darstelle und im dogmatischen Sinn eine Häresie sei. Um seine Meinung zu untermauern, führt er ausführlich Konzilsbeschlüsse und Meinungen einzelner Kirchenrechtler an.
Wie zu erwarten löste dieser Vorstoß des Metropoliten Daniil bei einigen Gläubigen Jubel aus, da er die wahre Orthodoxie verteidige, und bei anderen Kritik, dass er eine Spaltung provoziere und den Synod brüskiere, vor allem wegen seiner Angriffe auf Bartholomaios. Schon am 4. Juni stattete der Metropolit von Plovdiv, Nikolaj (Sevastianov), zusammen mit anderen Bischöfen und Laien einen Besuch in Istanbul ab und sicherte dem Patriarchen und der Kirche von Konstantinopel seinen Respekt zu.
Am 12. Juni werteten die Synodalmitglieder den Standpunkt ihres Kollegen als „seine persönliche Meinung, von der sich der Hl. Synod kategorisch distanziert“. Sie verwiesen darauf, dass zu diesem Thema ihrerseits noch keine Beschlüsse gefasst sind. Gleich am nächsten Tag betonte Metropolit Gavriil (Dinev) von Loveč – ein Mitstreiter Daniils in der ukrainischen Causa –, dass der Synod sich nicht aus inhaltlichen Gründen distanziere, vielmehr sei noch keine gemeinsame Position formuliert. Daniil selbst tat zeitgleich seine besondere Meinung zu dieser Distanzierung kund. Darin bemängelte er, dass der Synod keine konkreten Gründe nenne und unterstrich noch einmal, dass es nicht nur um die Lösung des ukrainischen Problems gehe, sondern auch um grundsätzliche Fragen der Ekklesiologie, die die Autokephalie der bulgarischen Kirche gefährdeten. Um Spekulationen zu vermeiden, veröffentlichte er den Text seiner Briefe.
Diese Vorgänge und der Mangel an einer synodalen Kommunikationspolitik beunruhigen viele Gläubige, da sie befürchten, dass die bulgarischen Kirchenführer immer mehr durch die Medien statt direkt kommunizieren. Mittlerweile kursieren in den Medien Gerüchte, dass der einflussreiche Metropolit Nikolaj von Plovdiv, der als Hauptgegner der Initiative für ein panorthodoxes Konzil zur ukrainischen Frage gilt, und Metropolit Daniil untereinander einen Abbruch der eucharistischen Gemeinschaft erklärt hätten. Zwar erscheinen solche Meldungen unglaubwürdig, aber sie illustrieren einerseits deutlich, dass die Spaltung unter den bulgarischen Metropoliten in der ukrainischen Causa von der Öffentlichkeit deutlich wahrgenommen wird. Andererseits aber fällt auf, dass diesmal die synodalen Mitstreiter von Daniil – Gavriil von Loveč und Joan (Ivanov) von Varna – sich zurückhalten, so dass unklar ist, ob sie die Initiative des Metropoliten von Vidin ganz unterstützen.
Vladislav Atanassov

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