Hans-Christian Maner über die Kathedrale der Erlösung des Volkes in Bukarest

01. November 2018
Am 25. November 2018 wird die Kathedrale der Erlösung des Volkes in Bukarest geweiht. Die Planungen zu dem Bau begannen schon vor 100 Jahren. Warum hat der Bau so lange gedauert?
Seit den ersten Überlegungen zum Bau einer neuen orthodoxen Kathedrale in Bukarest standen finanzielle Fragen, der Ort der Errichtung sowie die Größe des Gotteshauses immer wieder zur Debatte. Erste Pläne gab es bereits im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts. Nach der politischen Unabhängigkeit des jungen Staates Rumänien vom Osmanischen Reich forderten König Carol I. und die politische Elite den Bau einer Kathedrale, die den Sieg der christlichen Orthodoxie symbolisieren, und in der zugleich die nationalen und religiösen Feierlichkeiten zur staatlichen Selbstständigkeit stattfinden sollten. Ein neuer Anlauf erfolgte nach dem Ersten Weltkrieg. Der Anlass war die Erhebung der Rumänischen Orthodoxen Kirche zum Patriarchat im Jahr 1925. Wirtschaftliche und politische Krisen in der Zwischenkriegszeit und das atheistische Regime nach dem Zweiten Weltkrieg verhinderten jedoch eine Verwirklichung. Schließlich wurden die Pläne nach dem politischen Umbruch von 1989/90 erneut aufgenommen.

Die neue Kathedrale ist eine der größten orthodoxen Kirchen weltweit, ihr Bau war entsprechend teuer. Finanziert wurde sie von der Rumänischen Orthodoxen Kirche, durch Spenden und großzügige staatliche Beiträge. Wie wird das Mammutprojekt in der rumänischen Bevölkerung wahrgenommen?
Während Teile der Bevölkerung der Argumentation der Kirchenleitung folgen und die Notwendigkeit eines repräsentativen Gotteshauses in der Hauptstadt des Landes befürworten, stehen dem Projekt auch zahlreiche Kritiker gegenüber. Diese sehen angesichts der schwierigen sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse vieler Menschen die neue Kathedrale als unzeitgemäßes Bauwerk an. Die Kirche solle sich eher sozialen und karitativen Aufgaben zuwenden. Angesichts der Dimensionen des Projekts wurde auch der Vorwurf des Größenwahns laut. Auch der Name der Kathedrale rief Kritik hervor, da er die Bedeutung der Nation in den Vordergrund stelle.

Welche Symbolik verbindet die Rumänische Orthodoxe Kirche mit dem Kirchenbau?
Aus der Sicht der Kirchenführung soll die Kathedrale den „Opfer[n] der Vorfahren für den Glauben, der Würde und Einheit des Volkes sowie der Befreiung des Landes von der Diktatur und dem Atheismus“ ein Denkmal setzen. Sie soll als „Symbol der nationalen und geistigen Einheit des gesamten rumänischen Volkes“ dienen, so die offizielle Verlautbarung. Die Kathedrale soll also auch für jene Ziele stehen, die 1877/78 sowie 1925 anvisiert wurden, d. h. neben der Einheit dann (endlich) die Errichtung einer Patriarchatskirche, da der Patriarch seit 1925 in der zu kleinen Metropolitankirche residiert. Die neue Kirche soll letztendlich den Sieg über das atheistische kommunistische Regime symbolisieren, nachdem gerade in Bukarest im Rahmen der „Stadtumgestaltung“ durch Nicolae Ceauşescu eine Reihe von Kirchen zerstört worden waren.

Hans-Christian Maner, Dr., Professor im Historischen Seminar an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz; Zuständigkeit: Geschichte Ostmittel- und Südosteuropas.

Bild: Die Kathedrale der Erlösung des Volkes in Bukarest im Juli 2018 (Wikimedia Commons, ©Mihail).