Papst Franziskus' historischer Besuch in Rumänien aus ungarischer Sicht

06. Juni 2019
Katalin Bartucz

Papst Franziskus‘ 30. Auslandsreise führte ihn vom 31. Mai bis zum 2. Juni unter dem Motto „Gehen wir gemeinsam“ nach Rumänien. Nach Papst Johannes Paul II. ist Franziskus der zweite Papst, der Rumänien besucht. Ersterer besuchte 1999 das mehrheitlich orthodoxe Land. Doch angesichts der damaligen politischen Umstände musste Johannes Paul II. seine Anwesenheit auf einen protokollarischen Besuch der Hauptstadt Bukarest beschränken und die mehrheitlich ethnisch ungarischen römisch-katholischen und rumänischen griechisch-katholischen Gemeinschaften in Transsylvanien ignorieren. Diese schmerzte das sehr, und Papst Johannes Paul II versprach damals zurückzukehren, um sie zu besuchen, falls es ihm möglich sein würde. Nun konnte Papst Franziskus dieses Versprechen mit dem Ziel, die Einheit zwischen allen hier lebenden Christen und allen Nationen zu fördern, durch seinen Besuch erfüllen. Deshalb suchte er während seiner Reise alle historischen Gebiete des Landes auf.

Das Reiseprogramm des Papstes beinhaltete Treffen und Feiern mit allen großen Konfessionen des Landes. Er betete das Vaterunser mit den Mitgliedern des Hl. Synods der Rumänischen Orthodoxen Kirche in Bukarests neuer orthodoxer Kathedrale. Als er auf dem Rückweg im Flugzeug Fragen der Presse beantwortete, sprach der Papst darüber, dass Patriarch Daniel ihn anerkennend als Bruder bezeichnet habe. In Bezug auf Ökumene und Konflikte zwischen den Konfessionen betonte er die Bedeutung der „Beziehung der ausgestreckten Hand“. Die verschiedenen religiösen Gemeinschafen müssten „gemeinsam gehen“, um Ökumene zu erreichen und den Armen und Kranken zu helfen.

Zudem traf sich der Papst mit jungen Menschen und Familien in der ebenfalls mehrheitlich orthodoxen Stad Iaşi (Jászvásár). In Blaj (Balázsfalva, Blasendorf) feierte er einen Gottesdienst und sprach sieben griechisch-katholische rumänische Märtyrer-Bischöfe aus der kommunistischen Zeit selig. Und er feierte im Marienheiligtum Şumuleu Ciuc – oder wie der Ort von der dortigen ungarischen Bevölkerung genannt wird: Csíksomlyó – einen Gottesdienst.

Das Ereignis war für die katholische Gemeinschaft sehr bewegend. Für sie war es eine Freude und Ehre, Papst Franziskus beim meistbesuchten ungarischen Marienheiligtum zu empfangen, das nicht in Ungarn, sondern im historischen Székelyland (Szeklerland) liegt. Zoltán Oláh, der Presseverantwortliche, sagte: „Heutzutage können Pilger an Audienzen in Rom teilnehmen und vielleicht sogar den Papst persönlich treffen. Aber die Tatsache, dass er eine Nation, eine ethnische Gruppe in ihrem Heimatland besucht, ist eine große Ehre und eine ungeheure, großartige Erfahrung.“

Schmerzhafte Ereignisse des 20. Jahrhunderts hatten besondere Auswirkungen auf die ethnischen Gemeinschaften und führten zu einer sehr heiklen Lage. Deshalb wurde Csíksomlyó ein wichtiges Symbol für die nationale Zusammengehörigkeit für die Ungarn, die hier leben. Dennoch ist das Marienheiligtum eine christliche religiöse Stätte für alle Gläubigen jeder Nationalität. Nach dem Fall des kommunistischen Regimes wurde das religiöse Leben unvorhersehbar lebendig. Seit den 1940er Jahren konnten religiöse Feste nur noch in der Dorfkirche, wo die Marienstatue steht, gefeiert werden. Seit 1990 werden die Pfingstgottesdienste an einem Altar unter freiem Himmel auf dem nahen Berg – dem „Sattel“ – abgehalten. Tausende Menschen kommen, meist Katholiken, aber auch Gläubige anderer Konfessionen und Religionen. An Pfingsten empfängt Csíksomlyo 160‘000 bis 180‘000 Gläubige aus dem Karpatenbecken, die meisten, aber nicht ausschließlich Ungarn. Allerdings zieht das Heiligtum das ganze Jahr über Pilger an.

Diese Menschen mit unterschiedlichen Wegen und Überzeugungen in ihrem Glauben suchen und finden hier eine spirituelle Erfahrung. Diese hilft ihnen ihrem Glauben und ihrer Religion treu zu bleiben. „Pfingsten in Csíksomlyó“ wurde bald zu einem Begriff, einem Ausdruck des Glaubens, aber auch der ungarischen Nationalidentität. Das macht Csíksomlyó für viele zu einem besonderen Ort. Es war das erste Mal in der tausendjährigen Geschichte der Erzdiözese Alba Iulia und in der 500-jährigen Geschichte des Heiligtums, dass ein Oberhaupt der katholischen Kirche sie besuchte und hier einen Gottesdienst feierte.

Zum Schluss des Gottesdienstes erwies Papst Franziskus der Gottesmutter mit einer vergoldeten Rose die Ehre. Csíksomlyó ist die erste religiöse Stätte im Karpatenbecken, die dieses besondere Geschenk erhält, ein Zeichen der Ehrerbietung des Papstes gegenüber Maria. Während der sechs Jahre seines Pontifikats war dies erst das sechste Mal, dass er eine goldene Rose an einem Heiligtum niederlegte.

Als Ausdruck ihrer Verehrung für Papst Franziskus stellten die Ungarn ein sog. Szeklertor als Tribut auf, ein traditionelles Holztor mit geschnitzten Ornamenten der traditionellen ungarischen Szeklerkunst. Von nun an steht es am Weg, auf dem sich die Pilger dem „Sattel“ nähern, wenn sie den Berg für die Pfingstfeier besteigen. Es soll als langfristiges Zeugnis dieses wichtigen Ereignisses dienen.

Bild: Derzsi Elekes Andor